Langeweile

Dies ist wohl das unaufregendste und unaufgeregteste Wort, das die deutsche Sprache kennt. Darin gibt es keinen harten Buchstaben, die Teile des Wortes - lang und Weile - haben nichts Zeitgemäßes, wo alles schnell, knapp und ergebnisorientiert sein muss. Da ist Langeweile schlicht aus der Zeit gefallen.

Umso mehr ein Grund, diesem Phänomen hier mal ein kleines Denkmal zu setzen.

Es ist tatsächlich gar nicht so einfach, sich dem Alltag zu entziehen, der eine Vielzahl an Aufgaben bereithält, die alle unmittelbar erledigt werden müssen. Wenn man es wagt, die möglicherweise einmal zu ignorieren, wird man allzu bald daran erinnert, dass da eine dringende Angelegenheit wartet. Anrufe, Mails, Mahnschreiben, Posts, Messages, Reminder – die Liste der Instrumente, derer man sich bedient, um Aktion bzw. Reaktion einzufordern ist lang und wird immer länger.

Da muss man schon hartgesotten oder zutiefst ignorant sein, um sich dagegen zu wappnen und den eigenen Rhythmus zu finden, in dem man Dinge tun kann und will. Und manchmal kommt es vor, dass man eben gar nicht will oder nicht kann. Weil es irgendwann zu viel wird, nicht mehr leistbar ist und weil die Schnur, an der das alles brennt, zu kurz ist.

Das führt im schlimmsten Fall zur Explosion. 

Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass Explosionen gefährlich sind. Dass die kurze Lunte, an der so viele hängen, zu Desastern führt, die nur Schaden hinterlassen. Denn der Komplexität der Welt ist nicht über kurzfristige Maßnahmen, über schnelle Prozesse, über Abarbeiten im Stechschritt beizukommen. Stattdessen braucht es Wissen, Durchblick, Erfahrung, Bildung, Verständnis, Austausch, Lernoffenheit, Erkenntnisfreude und so Manches mehr. Das aber wiederum braucht Zeit.

Zeit, die wir nicht haben, wird dann schnell hervorgebracht. Es muss schnell gehen, wir müssen sofort Lösungen haben. Das Problem: Bevor man eine Lösung haben kann, muss man nach ihr suchen. Blöd nur, dass das erstens auch wieder Zeit braucht und all das zudem mit den oben genannten Zeitfressern zusammengeht.

Wie man es also dreht oder wendet: Der kurze Prozess kann den Herausforderungen, vor denen wir stehen – im Kleinen wie im Großen – schlicht nicht mehr gemacht werden.

Wie aber bekommen wir es dann hin, dass sich dennoch etwas bewegt? 

Kommen wir zum Ursprung dieses Beitrags zurück: Durch eine Übung namens Langeweile.

Lassen wir einfach mal alles liegen, baumeln wir in der Gegend herum, schweifen wir mit den Gedanken hierhin und dorthin, schauen wir uns Menschen an, hören wir das Gras wachsen und fragen nicht danach, wozu das alles führt.

Die erstaunliche Erkenntnis wird sein: Man bekommt auf diese Art der langen Weile – die nicht zu verwechseln ist mit Nichtstun – soviele Anregungen, lernt so viel kennen, erkennt so viel Neues, dass nach der Rückkehr ins schnelle Leben so Manches einfacher lösbar ist. 

Die Langeweile auszukosten ermöglicht also nicht nur einen inneren Frieden, sondern gibt Kreativität, Langmut, Angstfreiheit. Lauter Eigenschaften, die dabei helfen, die Dinge beherzt anzupacken. Und der Langeweile damit etwas abzugewinnen, das nicht nur ein Moment des Wohlgefühls bedeutet, sondern ebenso Wirksamkeit.

Es lohnt sich also, mal gelangweilt abzuhängen. Die Energie, die man darüber schöpfen kann, wird uns um Längen nach vorne bringen. Wo wir nicht abgehetzt ankommen, sondern immer noch Kraft haben, diese Welt lebenswert zu gestalten.

Immer schön die Ruhe bewahren.

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