Langeweile
Ganz schnell hat man bei diesem Begriff einen anderen vor Augen. Und was das bedeutet ist schnell gesagt: „Müßigkeit ist aller Laster Anfang.“ Da schwingt ein Ausrufezeichen gleich schon mit. Der Weltuntergang - also das Ende - ist in diesem Anfang gleich schon mitgedacht.
Langeweile also ist etwas, das die Gesellschaft nicht gut heißt, das man sich nicht erlauben sollte, wenn man in selbiger ein auch nur ansatzweise gutes Ansehen haben will.
Schade, dass die Langeweile und die Müßigkeit einen so schlechten Leumund haben. Dabei könnte man mit diesen Untätigkeiten doch eine Menge tun.
Ziehen wir ein anderes Sprichwort heran, das da lautet „eile mit Weile“. Vielleicht nicht ganz so vehement vorgebracht, hat es doch durchaus Empfehlungscharakter.
Anstatt sich zu hetzen, immer der nächsten Aufgabe nachzulaufen, sich mit einem Berg von Themen und Ablenkungen zu streßen, könnte das langweilige Innehalten doch mal eine schöne Abwechslung sein.
Während die oben zitierte Ermahnung in Richtung Müßiggang genau das ist und zur Regelung der Ordnung dient, entspricht der zweite Spruch zur Weile eher einer weisen Einsicht.
Denn welche große Idee, welche Erfindung, welcher Geniestreich, welche kreative Lösung wurde schon durch hastiges Tun und in großer Eile hervorgebracht? Die Errungenschaften dagegen, auf die wir uns als Menschheit etwas zugute halten, die basieren eben eher auf geistiger Entspanntheit und ruhiger Hand. Denn auch dieses Sprichwort gehört hierher: „In der Ruhe liegt die Kraft.“
Nach so vielen Zitaten kommen wir mal wieder zum Kern der Sache, zur Langeweile. Der Begriff macht deutlich, dass es da kaum um ein paar Minuten Wartezeit geht, eine lästige Warteschleife, die man bei nervtötendem Gedudel mit ein paar Ablenkungsmanövern übersteht. Hier geht es vielmehr um eine ordentlich lange Weile - also mindestens viele Stunden, vielleicht sogar Jahre.
Viele Jahre Nichtstun? Das ist die Assoziation, die da gleich hochkommt. Nein. Eine ausgedehnte Zeit des Innehaltens, der Durchforstung der Gedanken, der Beobachtung des Innen wie des Außen, der Erforschung von Zusammenhängen. All das findet in der Regel höchst unspektakulär, nicht medienwirksam, im Verborgenen und oft ohne äußere Anzeichen von Aktivität statt.
Und doch geschieht etwas. Aus der Langeweile entsteht Energie, erwächst Fantasie, werden gedankliche Höhenflüge zu etwas Kreativem.
Wir sollten uns alle ein wenig Langmut angewöhnen und denjenigen, die sich in Langeweile üben, den Respekt entgegenbringen, den sie mindestens genauso verdienen wie diejenigen, die mit großem Getöse ständig beschäftigt, aktiv und präsent sind.
Ein Lob der Langeweile. Sie hat eine Menge für sich.