Zahlen

… Daten, Fakten. Das ist es, was zählt. Was diesen meßbaren, rechenbaren und statistisch ermittelbaren Werten nicht entspricht, fällt durch.

Egal ob es um den Privat- oder den Bundeshaushalt geht, um Taschengeld, um die Arbeitszeit, um Bezahlung von Leistungen, auch um die Bewertung letzterer, um die Anzahl von Produkten, um Steuern, Budgets, Kosten, Anteile, Verteilungen usw. usf. 

Alles kann, nein alles muss in numerischen Urteilen ausgedrückt werden. Unbestechlich, präzise, genau.

Das ist die harte Wirklichkeit, der kann man sich nicht entziehen.

Ist das so? Muss das so sein? Kann man sich einer Welt, die sich auf weltumspannende, auf kapitalistisch-betriebswirtschaftliche und rein arithmetisch legitimierte Einordnungen geeinigt zu haben scheint, nicht mehr erwehren? Weil es anders - so die Behauptung - gar nicht mehr funktioniert?

Eine Rückfrage: Was bleibt an den Stellen übrig, wo das so definierte System nicht anwendbar ist, wo das allzu Menschliche, wo politsch auszuhandelnde Gegenwarts- und Zukunfts-Entscheidungen, unvorhergesehene Ereignisse ins Spiel kommen?

Die Zahlenfetischisten haben auf solch dumme Fragen natürlich immer eine - oft absolute - Antwort. Zu allem gibt es - erst recht, seit Daten über digitale Kanäle vielfach und für jede(n) zu haben sind - das benötigte Material.

Vielleicht fragen wir dennoch mal weiter kritisch nach.

Sind Zahlen, Daten, Fakten immer objektiv? Läßt sich jede Frage mit einer entsprechend gestützten Angabe zweifelsfrei und eindeutig beantworten? Kann man mit aufzubietenden Daten jedes andere Argument, das solche nicht parat hat, in den Orkus schicken?

Wie sagt man doch? Zahlen lügen nicht.

Was wir allerdings schon oft erlebt haben: Mit Zahlen kann man lügen.

Manche Rechenübungen führen zu unbequemen Erkenntnissen, die dem, was man vorhat oder je nachdem, welcher Ideologie man anhängt, entgegenstehen. Wer widmet sich dann diesen und zieht daraus Schlüsse?

Warum sind z.B. datenerhobene und -belegte Erkenntnisse aus den 70er Jahren zu den „Grenzen des Wachstums“ über Jahrzehnte hinweg ignoriert worden, was maßgeblich zu dem vielschichtigen Desaster beigetragen hat, das politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und letztendlich planetare Auswirkungen hat?

Man hat es sich lange genug schön gerechnet und praktiziert diese Übung auch heute noch gerne. Doch dadurch wird es weder besser noch richtiger oder korrekter.

Um hier eins klarzustellen: Zahlen, Daten, Fakten, die mit sorgältigen Methoden, fundiert, im besten Fall wissenschaftlich und hier so neutral wie möglich ermittelt und zusammengetragen werden, dienen dazu, Klarheit zu verschaffen, Entscheidungsgrundlagen zu liefern und vor substanzlosen Vorgehensweisen zu schützen.

Sie können jedoch nur dann in die faktischen Entscheidungen Einzug halten, wenn sie demokratisch und im Diskurs legitimiert werden. Alles andere ist diktatorisch und damit willkürlich und manipulativ. Das nützt dann Machthabern, selten einer breiten Bevölkerung, erst recht nicht einer Menschheit, die ein soziales und gesundes Leben in der Zukunft sichern will.

Es muss nämlich klar sein: Auch die noch so sorgfältig ermittelten Zahlen geben keine unerschütterliche, aus jeder Perspektive gültige Wahrheit. Denn zum einen stellt sich die Frage, mit welchem Grundlagenmaterial und nach welchen Methoden wurden sie ermittelt, nach welchen Tools analysiert? Welche Auftrags- oder Erwartungshaltung liegt der Ermittlung solcher Daten zugrunde und was soll mit den Ergebnissen erreicht werden? 

Schließlich: Wer hat welches Ziel und sucht nach - zuweilen fadenscheinigen - Argumenten?

Kaum ein anderer Begriff wirft hier so viele Fragen auf wie das scheinbar so harmlose Wörtchen „Zahlen“.

Die vermeintlich felsenfeste Klarheit ist also doch ziemlich nebelig.

Menschen, Gesellschaften und komplexe Entwicklungen sind eben nicht eindeutig zu bewerten und ebensowenig derart zu behandeln. Es spielen kulturelle, psychologische, historische und andere Parameter eine Rolle, die zu berücksichtigen sind. Und dann gilt es stets, sich nicht nur auf eine bevorzugte Quelle zu verlassen, die Zahlen, Daten, Fakten liefert, sondern gleichzeitig auch möglicherweise Werte heranzuziehen, die eine andere Sprache sprechen.

Denn das muss klar sein: Die Welt und die Menschen, die auf ihr leben, sind nicht ein-fach und nicht ein-seitig. Die Themen des 21. Jahrhunderts sind derart hochkomplex, dass Anworten auf die diversen Fragen es auch sein müssen.

Ein bisschen mehr braucht es also schon, als den Blick auf ein paar Grafiken und Tabellen mit einem Zahlenwerk. Mindestens den zweiten Blick sowie den Diskurs mit anderen. Und immer die Offenheit für den Perspektivwechsel, der die Zahlen nochmal in ein neues Licht setzen kann.

Die entscheidende Frage zur Zahl am Schluss:

Wie wieviel zählt Glück?

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