Werk
Uhrwerk, Backwerk, Triebwerk, Tagewerk – ganz schön viel, wo und woran überall gewerkelt wird. Hier nun allerdings soll es um ein ganz besonderes Werk gehen, das Kunst-Werk.
Doch fangen wir vorne an.
Im Werk steckt irgendwie immer Arbeit drin. Ohne die gibt es Ersteres nicht. Beides wird dabei meist in eine direkte Relation gesetzt: Viel Arbeit ist gleich großes, anstrengendes, aufreibendes, zeitaufwändiges, wichtiges und/oder teures Werk. Umgekehrt basiert ein als bedeutsam charakterisiertes Werk auf intensiver Arbeit. Egal ob physisch, intellektuell oder durch einen meßbaren bzw. bewertbaren Einsatz zu ermitteln: im Werk steckt immer schon etwas Großes drin.
So spricht man sogar von Wunderwerk menschlichen Erfindungsgeistes, z.B. bei Flugzeugen, Teilchenbeschleunigern, Smartphones. Oder man fragt sich, wie es möglich sein kann, einen ganzen Berg zu untertunneln, ohne dass der einkracht. Oder man staunt über Errungenschaften der Medizin.
Im Kontext von Kunst und Kultur nun hat der Begriff Werk ein ganz eigenes Flair: Das Werk von Schiller und Goethe, das Werk Beethovens oder der Beatles, das Werk Picassos oder Banksys, ja selbst das Werk eines Gärtners oder einer Architektin kann höchste Bewunderung auslösen.
Da, wo es das Werk schwer hat, ist in virtuellen Räumen. Bei Algorithmen, Bitcoins, Suchmaschinen oder Apps geht einem der Begriff Werk nicht so leicht von den Lippen.
Denn mit Werk assoziieren wir in der Regel (immer noch) Handwerk. Da können Bezos, Musk und Konsorten noch so viele Reichtümer angehäuft haben, ein Werk will man ihnen irgendwie nicht zugestehen.
Ein echtes Werk ist schließlich irgendwo zwischen der Arbeit mit Werkzeugen und der Fertigung von Produkten angesiedelt. Das Werk ist im Ergebnis also weitgehend physisch. Die Arbeit daran muss erkennbar sein. Werkspuren will man sichten können.
Also spricht doch alles dafür, gerade in Kunst und Kultur diesen Begriff Werk hochzuhalten. Doch weit gefehlt.
Werke von bildenden Künstlerinnen und Künstlern werden im Markt-Betrieb heute nicht mehr als Werk verstanden, sie werden als „Arbeiten“ angeboten und verkauft. Egal ob das klassische Gemälde, die Skulptur, die Installation – alles sind Arbeiten. Das klingt sauber, mit Fleiß geschaffen und marktfähig. Die „Hersteller:innen“ haben sich also handwerklich und vielleicht sogar intellektuell Mühe gegeben. Das ist nicht nur so dahingeschmiertes oder gedankenlos zusammengebasteltes Zeug – dahinter steckt Arbeit. Und die kann erstens so bezeichnet und zweitens berechnet werden.
Damit wird ein Kunst-Werk gleichgesetzt mit Büroarbeit, mit Fabrikarbeit, mit allen Formen von Arbeit, von denen wir uns als „arbeitende Bevölkerung“ zunehmend distanzieren bzw. wo wir uns zunehmend neue Varianten vorstellen können. Während die klassische Arbeit also immer kreativer in der Ausgestaltung und Benennung wird – agile, new, smart –, wird Kunst offenbar immer mehr zur Arbeit. Und damit zur Ware.
Warum also nennen wir das, was wir bewundern, was uns begeistert, erstaunt, anregt, aufregt, fesselt, abstößt, fasziniert usw. nicht einfach wieder Werk? Das Ergebnis eines Prozesses, in dem eine Künstlerin/ein Künstler etwas gedacht, entwickelt, geformt, zerstört, aufgebaut, installiert, gerahmt, verhängt, zerstochen, immer wieder verändert hat.
Hat das nicht viel mehr Poesie als Arbeit?