Versuch
Der Versuch geht in unseren Breitengraden nahezu zeitgleich einher mit dem Irrtum. Und damit führt er schnell mal in die Sackgasse. Man sieht ihn eher scheitern als dass etwas Gutes dabei entstehen könnte.
Nun gut, es gibt Versuchsküchen, in denen zum Teil aberwitzige Gerichte mit ungeahnten Zutaten zusammengebraut werden. Die Versuchsanordnung dient in der Schule dazu, Schülerinnen und Schülern mit großen Knall-Erlebnissen zu erfreuen. Und wohlmeinend dürfen Kinder auch mal etwas versuchen, da ist es nicht schlimm, wenn es nicht gelingt - sind ja nur Kinder.
Irgendwann sollte man dann aber doch erwachsen sein. Dann hat es sich ausversucht. Stattdessen erwartet man Leistung, für die man zuvor im Ausbildungsprozess Leistungsnachweise erbracht hat. Es sollen Ergebnisse erreicht werden, die sich lohnen müssen. Zuviel herumprobiert haben darf man dazu nicht. Denn das kostet.
Hier liegt die entscheidende Crux. Wenn Zeit- und Geldeinsatz ins Spiel kommen, also Investment, das einen möglichst schnellen Return bringen soll, dann ist Schluß mit lustig. Kein Irrtum erlaubt.
Nicht lang schnacken, Kopf in‘ Nacken. Der Trinkspruch gilt dann nicht nur an der Theke, der gilt in allen Bereichen, die Wirtschaft bedeuten.
Das kommt dem Versuch nun wahrlich nicht gelegen. Immerhin steckt in diesem Begriff das Suchen schon drin. Und das dauert. Je besser etwas verborgen ist, je tiefer man graben, je weiter man gehen, je gründlicher man nachdenken muss, bevor das Gesuchte (und möglicherweise weiß man sogar gar nicht, was das überhaupt sein könnte) hervor kommt, desto länger dauert die Chose.
So kann es sein, dass jemand über Jahre und Jahrzehnte herumprobiert und Nichts zutage fördert. Wobei - kann das sein? Was ist denn dann „Nichts“?
Hier muss mal klargestellt werden: Ein Versuch kann tatsächlich darauf hinauslaufen, etwas ganz Konkretes zu entdecken. So kann eine Künstlerin beispielsweise mit vielen verschiedenen Techniken herumexperimentieren, bevor sie die Methode entdeckt, mit der sie ihre Idee auf die Leinwand bringen kann, die dann auch die Wirkkraft hat, die sie sich vorstellt.
Es kann ebenso sein, dass ein Lehrer immer wieder versucht, Unterrichtsklassen für Inhalte und die Welt zu begeistern. Vielleicht schafft er das nie so, wie er sich das erhofft. Vielleicht führt keiner seiner Ansätze und Methoden zu einem Ergebniss von allgemeiner Lernfreude. Doch haben in diesem Fall all diese Versuche dann zu „Nichts“ geführt? Waren sie belanglos?
Ganz sicher nicht. Auch Versuche, die nicht den großen Durchbruch schaffen, die kein gefeiertes Ergebnis hervorbringen oder doch kein Menschheitsproblem lösen, bringen einen und oft mehrere weiter. Denn jeder Versuch führt zu Erfahrungen, zu neuen Verbindungen, zu veränderten Perspektiven. Und macht damit klug. Auch das weiß schon ein Sprichwort.
Nicht der Return, die Honorierung, die mediale Sichtbarkeit, der weltweite Durchbruch sind die Meßlatt für den Versuch. Es ist der Versuch selber, der hier mal gewürdigt werden soll. Denn genau der ist die kreative Leistung, das, was uns voran- und zusammenbringt, was Lernen und Leben ausmacht.
Ruhig mal versuchen.