Verstand
Da denkt man, hier ginge es nun bewegt zu. Doch wieso steckt dann in dem Wort Verstand so etwas Statisches? Die zweite Silbe lautet „-stand“, da ist also offensichtlich keine Bewegung drin.
Doch man muss es vielleicht anders denken. Wenn wir Verstand als etwas begreifen, das sich bildet, fortentwickelt und ändert, das Großartiges, auch Unverständliches, Kreatives und dabei immer etwas Neues hervorbringt, dann kann das kaum in schneller Fortbewegung funktionieren.
Wer sich schon mal auf einem Laufband abgerackert hat oder wer schon mal Dutzende von Kilometern geradelt ist, der weiß, dass dies volle Fokussierung erfordert. Gleichzeitig tiefschürfende Gedanken oder besonders zusammenhängende Argumentationen zu entwickeln, ist kaum möglich, während das Hirn darauf ausgerichtet ist, weder die Orientierung noch das Durchhaltevermögen zu verlieren.
Verstand und Rennen oder anderweitige körperliche Verausgabungen gehen also nicht zusammen. Der Geist braucht Ruhe. Er muss mal innehalten, braucht Pausen, in denen er sich erholen kann. In dieser Zeit werden neue Verbindungen geknüpft, neue Erkenntnisse gewonnen und bislang nicht entdeckte Ideen gefunden.
Wenn also der Körper stehen bleibt, Ruhephase hat, nicht aktiv ist, kommt der Kopf so richtig in Schwung. Dann feiern Hirn und Geist Hochzeit.
Beobachtungen werden verarbeitet, Neuigkeiten mit Bekanntem abgeglichen, Überraschendes wird einer Beurteilung unterzogen. Das Hirn versucht, die vielfältigen Eindrücke von außen einzuordnen. Der Mensch, zu dem es gehört, soll verstehen können. Wenn das gelingt, entsteht Verständnis.
Sehen wir diese Zusammenhänge, wird klar: Verstand hat nichts zu tun mit einsamer Genialität. Auch nicht mit der Fähigkeit, mehr als die Grundrechenarten anwenden zu können. Und ebensowenig damit, 5 Fremdsprachen perfekt zu beherrschen.
Verstand ist lehrbar und lernbar. Es braucht Beobachtungsgabe, Offenheit, Neugierde, Lust darauf, sich auf Neues einzulassen, Kenntnisse über große und kleine Ereignisse auf der Welt und den Willen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Und übrigens auch körperliche Bewegung. Denn die bringt den Kopf ja nun auch auf Trapp.
Allerdings arbeitet der Verstand erst dann so richtig, wenn man wirklich mal stehen bleibt, alles Überflüssige links liegen lässt, Pause vom Durcheinander des Alltags macht und die vielen Eindrücke, die uns umgeben, durchdenkt.
Dann ist Verstand etwas, das uns alle bewegen, uns weiterbringen und für echte Dynamik sorgen kann. Es braucht nicht mehr, als den einfach mal einzuschalten und arbeiten zu lassen. Die Energie haben wir alle. Ständig. Bei uns selber. Immer wieder aufladbar. Und ganz emissionsfrei.
Na denn mal los und Ruhe bewahren.