Vereinfachung

Es ist schon verrückt: Da wird die Welt immer vielfältiger, wir gewinnen fortlaufend mehr Wissen, der Austausch zwischen den diversen Kulturen wird größer und intensiver - und wir versuchen, alles auf einen Nenner runterzubrechen.

Wir verstehen die Welt nicht mehr, dabei war sie doch mal so schön einfach.

Und genau das ist der Trugschluß, dem wir zu lange aufgesessen sind. In Schulen wird weiterhin vermittelt, dass die Qudratwurzel aus 9 drei ist, dass der 30jährige Krieg 30Jahre dauerte, dass sich die Kontinentalplatten verschieben und Minna von Barnhelm im 18. Jahrhundert von Gotthold Ephraim Lessing geschrieben wurde.
In einer Ausbildung lernt man, was einen Schlitzschraubendreher von einem Kreuzschlitzschraubendreher unterscheidet.
Und in Hochschulen werden Modelle aus dem 20. Jahrhundert präsentiert, die angeblich sicherstellen, dass Wachstum endlos erreicht werden kann.

Überall findet man scheinbar Hilfsmittel, die die Welt erklärbar und uns erfolgreich machen. Offene Fragen darf es nur allzu selten geben. Jemand, der oder die lehrt, muss Bescheid wissen, die komplexen Dinge herunterbrechen, damit auch jede und jeder die Antwort hat.

Dabei wissen selbst Kinder mittlerweile (oder wußten sie es immer schon besser?!), dass es die eine Antwort gar nicht gibt. Beziehungsweise höchst selten. Die spannenderen Themen sind ohnehin die, die mehr Fragen aufwerfen als schnelle Antworten parat haben. Die in Dauerschleife wiederholte Frage „warum?“ kann man um weitere Fragewörter verlängern: Wer, wie, was, wieso, weshalb oder eben warum? Das wussten schon die Protagonisten der Sesamstraße. Und die waren und sind genau deshalb nicht dumm.

Ganz offenbar haben wir es uns zu lange zu einfach gemacht. Wir haben die Fragen irgendwann weggelassen, nur noch nach schnellen Lösungen und Antworten Ausschau gehalten. Nun schlagen die wahre Komplexität des Seins und die Zusammenhänge, die wir augeblendet haben, so richtig heftig zu Buche.

Wenn wir nicht damit anfangen, uns wissbegierig, verständnisneugierig und erwartungsfroh mit der Frage zu befassen, was die Welt zusammenhält, wie wir auf ihr zusammenleben und was wir tun können, um experimentierfreudig gangbare Wege zu erschließen und ein global aktives Sozialwesen zu entwickeln, dann werden wir ganz einfach nicht mehr viel zu lachen haben.

Doch dazu muss es doch wohl nicht kommen. Wofür haben wir unser Hirn, unseren Geist, unsere gedanklichen und kulturellen Fähigkeiten? Mit ein bisschen Anstrengung sollten wir all das wieder hochfahren. Die Rechner, die uns die einfachen Lösungen so wohlfeil versprechen, die lassen wir aus.
Viel Spaß beim kreativen Herumstöbern in den Tiefen der komplexen Vielfalt!

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