Solidarität
Schon wieder ein so großes Wort. Solidarität wird verbreitet eingefordert. Von Familienmitgliedern über Kolleginnen und Kollegen bis hin zu Nachbarn und Nationen. Vom politischen Spektrum mal ganz zu schweigen, das keine Bühne auslässt, um Solidarität vollmundig zu versprechen oder in Aufrufe zu verpacken.
In dem Begriff schwingt Solidität gleich mit. Also etwas, das fest ist, verlässlich, stabil. So stellt man sich denn auch die Solidarität vor - Brüder zur Sonne oder Schwestern im Geiste. Ganz fest verschworen, da geht kein Blatt zwischen, das Band ist unzerreißbar.
Dieser Gedanke hat etwas von einem Märchen. Schön, aber wenig realistisch.
In dem Moment, wo ein Begriff derart dominant auf Fahnen, Plakate und anderes Werbematerial gedruck und dabei verschlissen wird, sollte man Obacht geben. Offenbar ist der Gedanke dahinter ja dann gar nicht selbstverständlich. Oder müssten wir ständig über das berichten bzw. das anmahnen, was wir für gegeben halten? Etwas die Luft zum Atmen oder das Wasser zum Trinken.
Wobei - vielleicht müssten wir diese lebenswichtigen Notwendigkeiten, die immer weniger selbstverständlich sind, in Zeiten eines weltweiten Klimawandels doch viel häufiger thematisieren?!
Zurück zu Solidarität. Nicht, dass hier Zweifel aufkommen: Ein Unterhaken, ein Füreinandereinstehen, verlässliche Annahme von Verantwortung für die gemeinsame Sache - all das ist für diesen Planeten, den wir uns zu so vielen Milliarden Menschen teilen, eben auch existenziell.
Doch dann darf ein solches Phänomen nicht von Gruppen gekapert werden, die mit ihm Schindluder treiben und es nur als Fähnchen im Wind halten, nicht aber als das vertreten, was damit gemeint sein sollte.
Wenn Erwachsene solidarisch sind mit Kindern und Jugendlichen, Sportler:innen sich einsetzen für Menschen mit Behinderung, wenn die Erfahrungen von Senior:innen von Firmen gefragt sind und Menschen mit viel Geld sich einsetzen für gesellschaftliche Bereiche, die klamm sind, dann wird Solidarität gelebt. Dann ist das kein karrierenützliches Getue, kein parteipolitisches Gelaber, kein Absichern von Pfründen, die man sich „solidarisch“ angehäuft hat.
Solidarität geht nicht von oben nach unten. Und auch nicht revolutionär kämpferisch von unten gegen oben.
Ein Miteinander in industriellen, verroboterten und künstlich intelligent programmierten Welten geht nur, indem gebildete Menschen, Individuen mit Herz und Verstand beides einsetzen für eine Welt, die ständig weiter gestaltet werden muss.
Eine Welt, die nicht stabil ist, in der nichts ein für allemal festgeschrieben werden kann, die sich kontinuierlich und dabei unkalkulierbar weiterdreht. Und die entsprechend Menschen braucht, die nicht nur mit Fahnen rumschwenken, sondern etwas unternehmen, das für alle einen Wert hat.
Läßt sich nicht ganz simpel mit dickem Ausrufezeichen auf Plakate drucken. Tut aber gut und bewirkt viel, wenn es klappt.