Sicherheit

“So sicher wie das Amen in der Kirche“, „sicher wie eine Bank“, andere Formen von Sicherheitsgarantien - für Freiheit, für Frieden, für die Gültigkeit von Abkommen und Versicherungsverträgen. Darauf haben wir uns lange verlassen. Dass es Sicherheit gibt. Dass Menschen, Männer in machtvollen Personen - ob gewählt oder nicht - daran interessiert sind, Sicherheit zu schaffen, ja zu garantieren und den weniger machtvollen Menschen damit ein Umfeld zu ermöglichen, in dem es sich hier, jetzt und morgen einigermaßen gefahrlos leben lässt.

Heute, nach dem ersten Viertel des 21. Jahrhunderts, stellen wir mehr oder weniger verwundert, auf jeden Fall aber erschreckt fest: Alles Illusion. Sicherheit gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben. Schon gar nicht in absoluter Weise.

Da helfen auch keine Gebete, keine Anlagendiversifikation, keine mehrfachen Uni-Abschlüsse und multiplen Titel. Alles perdu. 

Auch Wissen ist nicht mehr sicher und führt auf direktem Weg zur Macht. Denn das, was heute gesichert scheint, ist morgen vom besseren Wissen überholt.

Und nun? Wenn nichts mehr sicher ist, nichts mehr zählt und man niemandem und nichts mehr trauen kann, was bleibt dann? Anders gefragt: Brauchen wir Sicherheit und Sicherheitsgarantien, um leben zu können? Und wenn ja: Woher bekommen wir die noch?

Als Alternative zur Sicherheit wird uns zunehmend zu „Zuversicht“ geraten. Ein Euphemismus für die Hoffnung, die sich wohl überholt hat. Zuversicht ist eine aktive Version von Optimismus: Nach vorne schauen, daraufhin zugehen und diese dann erreichte Vision in die Tat umsetzen. Das haben wir selber in der Hand. Und wenn etwas sicher ist, wenn man sich auf etwas verlassen kann, dann ist das ja wohl das eigene Ich.

Doch selbst da bröckelt es. Verunsicherungen, Ängste, Selbstzweifel allerorten. Die entsprechenden Praxen sind voll, die Angebot für den Weg zurück zu sich und zum Gefühl für Sicherheit werden jeden Tag größer.

Doch das alles scheint für eine grundlegende und allumspannende Sicherheit nicht auszureichen. Wenn weder Entscheider (und manchmal auch Entscheiderinnen), wenn ein Gott oder eine Göttin, wenn der Beruf oder der Club das nicht mehr bieten und leisten können, wenn die Zugehörigkeit zu entsprechenden Institutionen zerstört ist, dann kann eine wichtige Komponente von Sicherheit nicht mehr aufkommen: Das Gefühl, sicher zu sein.

Die Schlussfolgerung: Wir müssen uns von den alten Konzepten von Sicherheit verabschieden. Es gibt sie nicht in garantierter Form. 

Unser Leben erscheint zunehmend wie ein Fahrrad, zu dessen Sicherheitsschloss wir den Schlüssel verloren haben. Und nun?

Vielleicht ist das gar nicht so ein Drama, wie wir immer dachten? Vielleicht brauchen wir wieder viel mehr Offenheit, die uns die Kreativität gibt, mit der wir uns menschlich fortentwickeln können. 

Denn Sicherheit kann auch eine Gefahr sein. Wer sich sicher fühlt, stellt keine Fragen, gibt nur Antworten. Und überprüft nicht mehr, ob die noch korrekt bzw. angemessen sind und zu Lösungen den geeeigneten Weg weisen.

Und dann noch ein Gedanke: Vielleicht versuchen wir einmal wieder, in Beziehungen zu gehen. Den intensiven Austausch mit Menschen zu suchen, denen wir vertrauen.

Da sein, zuhören, miteinander Zeit verbringen. Ein persönliches Umfeld aus denjenigen, die uns das gute Gefühl geben, dass wir sicher sind. Ohne jede Sicherheit, ohne Netz und doppelten Boden. Und doch Glück-gebend.

Wir sind eben nie fertig, nie sicher. 

Das Gute daran: Damit ist immer wieder etwas neu möglich. Das ist ziemlich sicher. Einfach mal losradeln.

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