Fotografie

Wenn man sich die Zusammensetzung dieses Wortes vor Augen hält, dann steckt da die Bedeutung „mit Licht zeichnen“ drin. Wie poetisch. Vor allem, wenn man sich dann wiederum anschaut, was heute so alles unter diesem Begriff in die Welt gesetzt wird. Da ist es bald vorbei mit der Poesie.

Seit ein Foto nicht mehr eine Angelegenheit ist, die mit sorgfältiger Motivauswahl, mit ebensolchem Arrangement der Apparatur, mit aufwendiger Komposition verbunden ist - beim gleichzeitigen Risiko, dass dieses so minitiös vorbereitete Bild nicht gelingt - ist das, was in Zeiten digitaler Knipserei so zustande kommt, kaum mehr den Begriff „Fotografie“ wert. Da ist es mit „Zeichnung“, mit künstlerischer Qualität nicht mehr so weit her.

Sicherlich. Auch digitale Technologien ermöglichen beeindruckende Bilder; mit den technischen Mitteln, die heute zur Verfügung stehen, ist es nicht nur möglich, perfekte bzw. außergewöhnliche Fotos zu machen, sie können sogar die Wirklichkeit übertreffen oder neu entstehen lassen.

Nicht nur Hobby-Fotograf:innen eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten der bildnerischen Darstellung, auch Profis nutzen die Instrumente und Mittel für einen visuellen Ausdruck, der kaum Grenzen kennt. Denn die sind noch lange nicht erreicht, erst recht nicht, seit „Künstliche Intelligenz“ auf dem Weg ist, auch noch die letzte individuelle, persönliche Eingebung und Kreativität zu übernehmen.

Irgendwann, so scheint es, wird das Medium Fotografie aus Menschenhand genauso abgelöst sein, wie es das Hörerlebnis vor dem Radioempfänger ist.

Das ist bedauerlich, denn eine Technik, die „mit Licht zeichnet“ kann einen vielleicht doch nicht so recht berühren.

Das Besondere von Fotografie - in diesem Sinne verstanden - ist ja nicht die reine Ablichtung, die Kopie dessen, was man vor Augen sieht, ein dokumentarischer Akt, sondern die persönliche Interpretation dessen, was man wahrnimmt, was man wahrnehmen will; wie man den Ausschnitt des Bildes so anlegt, dass dieser wiederum eine Botschaft hinterlässt, die auch noch Jahre, Jahrzehnte und länger wirkt.

Ob die digitalen Varianten von „Fotos“, die mittlerweile milliardenfach auf Milliarden von Smartphones ein ungesehenes Dasein fristen, auch Jahrhunderte überdauern werden, sei dahingestellt.

Zum einen ist noch nicht klar, wie lange diese Motive technisch haltbar bleiben. Und dann ist dieser schieren Masse wiederum auch kaum im Sinne einer Erinnerung beizukommen.

Das, was vor Jahren vom Film abgezogen und als Foto im beschrifteten Album landete, wo man es wiederum immer wieder betrachten konnte, das ist mit der digitalen Variante nicht zu erreichen. Wer druckt schon noch Fotos aus, klebt sie in Alben, notiert Anlass und andere Hinweise zu den Bildern, um diese Generationen später den Nachfahren als historisches Fundstück zur Verfügung zu stellen?

Damit geht eine Tradition verloren, die einherging mit dem Festhalten von wichtigen Momenten, die das Leben beschrieben. Das “mit Licht gezeichnete“ Bild dokumentierte eben ein Stück der Familien- bzw. Autobiografie und ermöglichte jedem sein eigener Chronist zu sein.

Vielleicht bedeutet diese Entwicklung hin zu technischer Allmacht nicht nur keinen unbedingten Fortschritt, sondern sogar das Fehlen einer Erinnerungskultur, den Verlust der Befähigung zu tiefer Wahrnehmung, das Ende eines Leben, das man eben nicht nur als „Selfie“, sondern eingebettet in ein Umfeld führt.

Machen wir uns die Welt um uns herum doch mal wieder bewusster und wählen vor dem inneren Auge das aus, was wir in Ruhe mit Licht in uns hineinzeichnen wollen. Das speichern wir dann auf unserer eigenen Festplatte ab, die wir alle zwischen unseren Ohren haben.

Da können wir ja bei Gelegenheit immer mal wieder reinschauen.

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