Selbstbestimmung

Wohl kaum jemand würde die Frage verneinen, ob man ein selbstbestimmtes Leben führen wolle. Das Gegenteil wäre ja furchtbar: Fremdbestimmung.

Doch was heißt das eingentlich, selbstbestimmt zu sein? Ist das dann grenzenlos frei, ungebunden, alles ist möglich? Ist es eine Lebensmaxime? Eine Haltung? Ein Auftrag? Vielleicht sogar eine Verpflichtung?

Letzteres würden die Meisten wohl so nicht sehen. Im Gegenteil: Selbstbestimmung bedeutet doch gerade, sich keinen Verpflichtungen unterwerfen zu müssen. 

Da stellt sich die Frage: Sitzen wir in der Auffassung dieses Begriffs nicht einem Irrtum auf? Ist die wahre Bedeutung von Selbstbestimmung tatsächlich die, dass man nicht nur über sich, das eigene Handeln, die eigene Lebensgestaltung frei bestimmen, also entscheiden kann, sondern auch über das Umfeld, über die Umstände, in denen man sein Ideal leben möchte?

Umgekehrt gefragt: Ist jeder Umstand, jede Situation, alles, was von außen das eigene Leben erreicht, gleich schon die drohende Fremdbestimmung, die eingrenzt, behindert, blockiert?

Vielleicht muss man in einer Welt, die das Zuhause für ca. 8 Millarden Menschen ist, die alle auf einem Planeten leben, der nicht weiter wächst, auf dem wiederum die Vernetzungen immer dichter werden, um alle mit dem Nötigen erreichen zu können, vielleicht muss man hier und jetzt erkennen, dass Selbstbestimmung in dieser Auffassung ganz unschön alleine macht.

Denn vollends gelebte Selbstbestimmung kann den Beginn von Isolation und Vereinzelung markieren: Jeder ist sich selbst der Nächste. 

Mit dieser Haltung mag man es sich in den gern phantasierten „guten Zeiten“ nett einrichten können. Wenn es allerdings um einen herum knallt, wenn das Selbst plötzlich angegriffen wird, wenn das eigene Umfeld dann doch immer enger wird, dann ist nicht mehr viel da, das man selbst bestimmen kann.

Wir sollten Selbstbestimmung wohl einmal neu definieren. Dann könnte es die Entscheidung sein, das eigene Leben nicht nur selber bequem einzurichten, sondern auch gesellschaftlich wirksam zu machen. Damit würde der Begriff auch weniger statisch, sondern könnte eine dynamische Bewegung erzeugen, in der Menschen Lust darauf haben, selbst aktiv zu werden, sich selbst zu bewegen, Ideen für ein Größeres-Ganzes zu entwickeln und damit etwas viel Besseres zu erreichen: Selbstwirksamkeit.

Das ist vielleicht nicht unbedingt bequem, aber es macht ziemlich sicher mehr Spaß. Denn wie es schon in dem Sprichwort heißt: Das Ziel, also eine Bestimmung, ist gar nicht so spannend. Der Weg, den man mit anderen gemeinsam geht und auf dem man immer weiter kommt, auf dem man etwas entwickeln kann, der ist die eigentlich motivierende Angelegenheit.

Das stellt man auch dann fest, wenn Menschen etwas erzählen: Vom Ziel zu berichten, ist eine recht kurze Sache. Den Weg zu beschreiben, den man geschafft hat, und von den Menschen zu sprechen, die dabei waren, das ist eine Geschichte wert.

Schreiben wir doch jeden Tag Geschichten, die über unser Selbst hinausgehen. Das könnte ganz schön inspirierend sein.

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