Moderation
Der Bedarf an Moderation ist groß. Noch größer der an entsprechenden Profis, die dem Wortsinne entsprechen und sich zurückhalten und mäßigen. Gar nicht so einfach in Zeiten, die oft genug durch das Gegenteil geprägt sind.
Da wird gepöpelt, es werden Beleidigungen ausgespuckt, Unwahrheiten in die Welt geschrien, aggressiv gedroht. Sogar Handgreiflichkeiten hat man schon in Kreisen gesehen, in denen es doch eigentlich um Diskurs, um Verständigung, um Lösungsbereitschaft gehen sollte.
Das Moderate hat es schwer. Es kommt in der Regel leise, wohlüberlegt und in einem Wechsel aus Zuhören und Fragen daher. Hier sind eher suchende Menschen am Werk, weniger die, die in dominanter Manier die Ellbogen ausfahren, um sich selbst in Position zu bringen. Doch solche wiederum erobern oft genug die Öffentlichkeit.
Wer sein Anliegen, seine Sichtweise, seinen Willen nicht laut herausschreit, an allen Ecken steht, in jeder Talkshow sitzt und jedes Scheinwerferlicht für sich reklamiert, der oder auch die wiederum kommt nicht vor. Und wen man weder sieht noch hört, den nimmt man weder wahr noch ernst.
Vornehme Zurückhaltung war gestern, breitbeiniges Vorwärtspreschen bestimmt das Heute.
Also Zeit für ein moderates Plädoyer. Für Menschen, die es moderierend schaffen, zwischen Präsenz und Hintergrundbeobachtung, zwischen Lenkung und Innehalten, zwischen ernsthafter Vehemenz und humorvoller Kommentierung andere Menschen in den Dialog zu bringen und dabei etwas entstehen zu lassen.
Denn nur so kommt das Neue in die Welt: Nicht indem man die ewig gleichen Leute mit den ewig gleichen Positionen wie in einem Boxring in mal besserer oft genug schlechterer Verfassung aufeinander loslässt, bis sie sich abgearbeitet haben an miesen Tricks oder eben doch mehr Chuzpe des Anderen.
Sondern indem moderierend anderen Sichtweisen, neuen Erkenntnissen, Überraschungen und auch offenen Fragen Raum gegeben wird, wenn echter Dialog zustande kommt und beim Publikum ein staunendes Heureka entsteht.
Dies geschieht übrigens nicht - das scheint ein verbreitetes Mißverständnis zu sein - wenn die Moderatorin oder der Moderator in investigativer Manier in die Gesprächspartner hineinzubohren versucht, immer wieder stichelt und alle nervt in dem Versuch, doch noch etwas Spektakuläres aus den Befragten herauszupressen.
Stattdessen muss es das Ziel sein, allen in der Gesprächsrunde sowie dem Publikum das gute Gefühl zu geben, in einem Lernumfeld zu sein, das einen klüger macht als man vorher war. Nicht verärgerter, nicht genervter und erst recht nicht aggressiver.
Eine Moderation also muss den Balanceakt beherrschen, zwischen klarer Zeichensetzung und persönlicher Regelfreiheit. Im Idealfall entsteht dabei ein Klima, in dem sich alle wohlfühlen und nicht befürchten müssen, aufs Glatteis oder ins Schwitzen zu geraten.
Wohltemperiert und anregend, suchend und fragend, ermöglichend und Grenzen setzend, frech und besänftigend. Menschenfreundliche Moderation macht aus einem Gespräch eine Frischzellenkur fürs Gehirn. Kann nicht schaden.