Identität
„Was bin ich“ war in den 50er bis 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mal eine beliebte TV-Show, ein heiteres Beruferaten, wie es im Untertitel hieß. Das Quizteam sollte durch annähernde Fragen herausbekommen, welcher Tätigkeit die eingeladene Kandidatin oder der Kandidat nachgeht. Ein Suchen ins Ungewisse hinein, denn das Quizteam musste Augenmasken tragen und konnte die mehr oder weniger prominenten Gäste nicht sehen.
Die Bedeutung eines Berufs, einer beruflichen Funktion war damals sehr wichtig. Im Prinzip wurde damit nicht nur ausgedrückt, was man macht, sondern im Wesentlichen wurde damit schon klar, wer man ist. Identiät manifestierte sich über die Arbeit und die Position, die man bekleidete.
Zunehmend wird dies in Frage gestellt. Arbeit als identitätsstiftender Faktor steckt in Zeiten von digitalisierter, remote ausgeübter, oft hierarchiearmer und zudem volatil stattfindender Tätigkeiten kaum mehr einen Rahmen, der Orientierung ermöglichen würde .
Was bin ich ist nicht mehr eine Gleichung für das „Wer bin ich?“
Auf diesem Gebiet tummeln sich mittlerweile mehrere Forschungsrichtungen. Von der Biologie oder Neurologie über Psychologie oder Soziologie, von der Philosophie über die Kommunikationswissenschaften bis hin zur Politologie oder Historienforschung: der Mensch, das unbekannte Wesen.
In all diesen Feldern werden unterschiedliche Perspektiven eingenommen. Die individuelle oder nationale Identität, die genetische oder familiäre, die sexuelle oder soziale, die parteipolitische oder trendbezogene. Noch viele andere Suchfenster sind denkbar, nach denen der Mensch verortet werden soll.
Und obwohl so intensiv nach dem Ich gesucht wird, scheint es nicht einfacher zu werden, die jeweils eigene Identität zu finden. Dabei wollen doch alle als Individuum, als Charakter, mit der jeweils persönlichen Einzigartigkeit wahrgenommen und begriffen werden.
Doch was macht jemanden einzigartig und identifizierbar? Was hebt den einen Menschen vom anderen ab, was macht unterscheidbar?
Ist es der Personalausweis, also die „Identity Card“ mit den dort vermerkten Daten, die uns Identität zuweist? Ist es die reine Äußerlichkeit, anhand derer Merkmale ausgemacht werden können, die möglicherweise eine individuelle Wiedererkennbarkeit möglich machen? Sind es Eigenschaften, Gesten, Mimik, ein bestimmter Stil oder Anderes, das Differenzierung festhält?
Hier sind wir immer noch an der Oberfläche - im durchmedialisierten Zeitalter allerdings eine eigene Währung.
Wollen wir allerdings über die wesentliche Identität, eben das Wesen eines Menschen, etwas wissen, so braucht es mehr Mühe. Und damit wird klar: Identität ist nicht nur das, was man selber ist, sein möchte oder sein könnte. Identität hat mit dem Umfeld zu tun, in dem man sich befindet. Und das wiederum heißt: Wir müssen uns alle bemühen, uns selbst in unserem Sein zu reflektieren, andere wahrzunehmen, ihnen interessierte Aufmerksamkeit entgegenzubringen und unsere Identität teilweise immer wieder neu ausrichten. Denn jede und jeder ist immer auch Viele. Viele Ichs, viele Möglichkeiten, viele Werdegänge und viele Ausgestaltungen.
Das zur Orientierung zu machen und nicht die einzige Einzigartigkeit – das ist das spannende an Identität, die nie langweilig wird.