Merkwürdigkeit
„Komisch“ sagen manche, wenn sie sich über etwas wundern. Dabei ist das Meiste davon gar nicht komisch, denn es ist nicht lustig oder erheiternd.
Dinge, die anders sind, als man sie erwartet hätte, eine Aussage, die zum Innehalten anregt, eine Idee, die ungewöhnlich ist, ein Objekt, das man nicht kennt – all das kann dazu führen, dass man stutzig wird. (Auch ein schönes Wort.)
Man versteht nicht auf Anhieb, was man sieht oder hört, vor einem tut sich etwas auf, das man so nicht kannte, etwas, das irritiert. Das kann auch mal komisch sein und zu herzerfrischendem Gelächter führen. Viel häufiger jedoch hat man etwas erlebt, was eine neue Erkenntnis ermöglicht, einen neuen Blickwinkel.
Ein Buch, das in ungewohnter Manier einen Sachverhalt schildert, ein Vortrag, in dem etwas gesagt wird, was einem bis dato gar nicht bewusst war, ein Bild, das eine schräge Perspektive auf ein alltägliches Objekt zeigt – all das sind Ereignisse, die zu Verwunderung führen können. Die etwas bewegen, wo man vorher statische Eindeutigkeit vermutete.
Manches davon bleibt ein Moment. Etwas, das in genau diesem Augenblick berührt und dann auch schon wieder vergangen ist. Manches aber – das merkt man oft erst später – erlangt eine Bedeutung, die Veränderung schafft.
Und genau das ist die Merk-Würdigkeit. Da war etwas, das man sich merken wollte und konnte, was einem würdig erschien, bewahrt und in das eigene Denken und Sein übernommen zu werden.
Wenn man das so auffasst, dann hat Merkwürdigkeit wenig mit Komik zu tun. Stattdessen viel mit Denken, mit dem, was einem selber etwas bedeutet und was einen vielleicht auch ein Stück voranbringt.
Sich wundern, über etwas stolpern, Irritation sind dann nicht Störfaktoren, über die man sich entweder kaputtlacht oder furchtbar ärgert, sondern können Momente sein, die einem etwas beibringen. Oder die einem klar machen, was war und woher wir kommen.
Es gibt so Vieles, vor dem wir heute stehen und uns fragen: Wozu war das denn gut? Wie hat denn das funktioniert? Wer hat das gebraucht?
Oft finden wir solche Dinge in Museen, in Ausstellungen. Sie werden in Schulen und Hochschulen gelehrt: So war es, das haben die Menschen früher gemacht. Wir wundern uns dann vielleicht, warum manche Alltagsgegenstände früher so aufwändig verziert waren. In 100 Jahren fragt sich vermutlich manch junger Mensch, wozu es im öffentlichen Raum an nahezu jeder Ecke eine so merkwürdige Einrichtung mit einem Schlauch gab, mit dem man offenbar etwas pumpen konnte. Tankstellen und Zapfsäulen dürften dann perdu sein.
Aber genau diese Verwunderung kann Anlass sein dafür, herauszufinden, was damals war, was heute ist und was diese Veränderungen bedeuten. Für Menschen, für Gesellschaften, für unsere Umwelt.
Manches ist tatsächlich merk-würdig. Dann sollten wir tunlichst versuchen, zu verstehen, was sich hinter diesen Dingen verbirgt. Und ob es sich nicht lohnt, daraus Lehren zu ziehen. Könnte sehr lohnenswert sein.