Kompromiss

So richtig toll findet man den nicht, den Kompromiss. Irgendwie denkt man das Adjektiv „faul“ gleich mit. Doch wenn man sich mal näher mit dem Begriff befasst, bekommt der doch etwas, das kaum zeitgemäßer sein könnte.

Wie so oft hat auch dieses Wort seinen Ursprung im Lateinischen und hier wiederum im Kontext von Rechtsprechung. Kurzgefasst spielt ein Schiedsrichter eine Rolle, ein gegenseitiges Versprechen und eine Entscheidung, die zu treffen ist.

Wesentlich ist dabei: Es handelt sich um nichts, das man alleine regeln könnte, es braucht mindestens zwei oder mehr Personen bzw. Parteien, die sich mit einem Thema befassen müssen, zu dem es eine Lösung braucht. Und manchmal eben - wenn die betroffenen Seiten nicht vorankommen - braucht es auch jemanden, der die Mittlerrolle einnimmt.

So weit, so gut.

Wenn wir es heute mit der Forderung zu tun haben, das Problem müsse doch über einen Kompromiss zu lösen sein, dann ist damit oft der Wunsch verbunden, es solle ein Unentschieden in der Angelegenheit geben. Jede Seite bringt ihre Position ein, dann wird darum gerungen, was jeweils durchkommt, auf was jeweils verzichtet werden muss, fertig ist der Kompromiss.

Doch wie wir im Alltag und in vielen Handlungsfeldern sehen: So einfach ist es dann eben doch nicht. Oder nicht mehr. Die Hardliner, die unbedingt durchdrücken wollen, was sie meinen und wollen, haben immer mehr Mittel an der Hand, um sich kein Stück bewegen zu müssen. Sie nutzen Medien, Methoden, Kanäle, über die sie möglichst viele Leute hinter sich bringen, die wiederum den Druck weiter erhöhen. Was dabei raus kommt, sind populistische Sichtweisen, die nicht mehr kompromissfähig sind, weil eine übergreifende Befassung damit nicht mehr möglich ist.

Denn was ein Kompromiss braucht, einer, der wirklich geeignet ist, eine Lösung zu erreichen, ist ein Aufeinanderzugehen, die Bereitschaft, eine Vereinbarung zu treffen. Dazu wiederum müssen Fragen, Ideen, Inhalte ausgetauscht und miteinander abgewogen werden. Was ist welcher Seite besonders wichtig und warum. Welche Auswirkung hätte welche Entscheidung nicht nur für die jeweilige Partei, sondern für das Umfeld darüberhinaus. Wie kann sichergestellt werden, dass ein Kompromiss nicht nur eine äußerst kurze Lebensdauer hat, sondern längerfristig gelten kann.

All das erfordert ein bewusstes Denken, eine Souveränität aller, und das wiederum ist nicht gleichbedeutend mit Anpassung. Hier nämlich beginnt der faule Kompromiss. Wenn aus einer schwachen Position heraus eine Unterwerfung unter die vermeintliche Übermacht erfolgt. Hier ergeben sich dann Verlierer, während die Gewinner meinen, aus diesem Ergebnis heraus alles bestimmen zu können.

Das ist dann nur noch kompromittierend, also bloßstellend.

Aus einer solchen Entwicklung kann nichts entstehen, was für alle zu der Möglichkeit führt, ein verträgliches Ziel zu erreichen.

Ohne Kompromisse kommen wir in einer komplexen, einer vielfach scheinbar unübersichtlichen Welt, in interkulturellen Gesellschaften nicht mehr weiter. Insofern sollte es eine tägliche Übung sein, scheinbare Sicherheiten, angebliche Notwendigkeiten und vermeintlich unverrückbare Prinzipien zu hinterfragen und zu überlegen, was denn sonst noch möglich wäre und wie man mit anderen einen Kompromiss finden kann. Um ein Leben zu ermöglichen, in dem man Gesellschaft als etwas Denk- und Machbares weitergestaltet.

Dann nämlich kann ein Kompromiss eine ziemlich kreative Macht entfalten.

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