Irritation

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Wer liebt sie nicht, die schöne Überraschung? Das kleine Geschenk, ganz außer der Reihe, das Erlebnis einer Musik, die ganz anders war, als man es sich hätte vorstellen können oder der spektakuläre Ausblick, der sich plötzlich auftut, wenn man einen ungewohnten Weg gegangen ist.

Solche Momente erzeugen Freude, ein Lächeln ins Gesicht, Momente mit Glücksgefühl.
Wenn man dagegen von Irritation spricht, dann wird die seltener als etwas verstanden, über das man sich freut. Gibt es sprichwörtlich die „schöne Irritation“?

Während die Überraschung eher den kleinen Höhepunkt in der Normalität, zwischen den Routinen bedeutet, erzeugt Irritation Unruhe, löst Fragen aus, stört die üblichen Abläufe. 

Dabei ist die Überraschung oftmals etwas, das gar nicht wirklich überrascht. Sie passt in das, was man gewohnt ist. Die Irritation dagegen erzeugt Unruhe, erfordert die aktive Auseinandersetzung, führt möglichweise sogar zu Veränderung.
Und wo soll das bitte schön hinführen? Es steckt doch schon im Wort: in die Irre.

Das Wort Irritation kommt allerdings - wie so manch andere interessante Vokabel - aus dem Lateinischen und meint Reiz oder Erregung. Heute ist ja manch einer schnell gereizt und regt sich über allerhand auf. Irritation an allen Ecken und Enden. Das stresst. 
Da kauft man doch lieber etwas, lässt es nett verpacken und überrascht die Freundin mit etwas Normalem, über das die sich dann freut: „Was für eine Überraschung!“
Meist hatte die Beschenkte bereits insgeheim damit gerechnet, oft ist die Freude entsprechend schnell wieder perdu.

Irritationen haben dagegen vielfach eine längere Wirksamkeit. Oft genug, weil sie wirklich etwas im Inneren erschüttern und die Scherben Stück für Stück wieder zusammengebracht werden müssen. 

Doch während man so mit den Bruchstücken hantiert, erkennt man zuweilen, dass etwas Neues entsteht. Und dass dieses Neue echte Überraschungen bereithält, die - nicht zuletzt weil man sie selber hervorgerufen hat - ungewöhnlich schön sind und richtig weiterbringen.

Es muss jedoch nicht die Erschütterung sein, die bis ins Mark irritiert. Kunst zum Beispiel ist etwas, dem man sich ständig und überall öffnen kann. Kunst kann Reize erzeugen, die im besten Sinne aufrütteln und wach machen.
Egal ob im öffentlichen Raum, in Museum, Theater oder Konzerthaus, auf der Straße, in einer Schule, einer Fabrik - Kunst ist das, was eine ganze Palette von Irritationen auslöst. Und fast immer Wirkung hinterlässt.

Dem Experiment sollten wir uns häufiger aussetzen. Mit der Gelassenheit und der Überzeugung, dass dabei schon was Gutes rauskommt.
Lassen wir uns neu überraschen.

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