Handschlag
Viele vermissen es in dieser „kontaktlosen“ Zeit, sich zur Begrüßung die Hand zu geben. Die freundliche Geste des Willkommens, die Zugewandtheit einer Handreichung ist ein Stück unserer Sozialisierung und fehlt.
Doch wer vermisst den Handschlag?
Wenn man sich dieses Wort in seinen Einzelteilen vor Augen führt, zuckt man eher zurück. Wer will sich zur Begrüßung schon schlagen lassen?
Auch die Aufforderung „Schlag ein!“, um zum Beispiel einen Vertrag zu besiegeln oder sich gegenseitig zu bestätigen, macht die Sache nicht besser. Ein Buchstabe mehr und es heißt „Schlag rein!“ Wie martialisch….
Und ebenso klingt die goldene Version nicht wirklich gut: Ein „goldener Handschlag“ hat einen ziemlich unfeinen Beigeschmack.
Aktuell sind – zu Vermeidung der gegenseitigen Berührung der Hände – zwischen zwei Personen Ellbogen-Stöße oder Faust-Hiebe in Mode gekommen. Da werden Ellbogen oder Fäuste ausgefahren, als wäre der irgendwie durchgeführte physische Körperkontakt die entscheidende Methode für ein Begrüßungsritual.
Wenn man dieses Verhalten beobachtet, weiß man kaum, ob man lachen oder sich eher erschrecken soll.
Oft wird mokiert, dass wir in einer Ellbogengesellschaft leben, in der der eine den anderen mit breit ausgefahrener Körperlichkeit aus dem Rennen treibt. Der Faustkampf mag im Boxring eine sportliche Note haben, in einer zivilisierten Gesellschaft kann man die Faust maximal in der Tasche ballen, weil man gerade sehr wütend ist und sie eben nicht in einem Akt der Gewalt hervorholen möchte.
Wenn man sich friedfertig auf jemand anderen zubewegt, dann haben doch weder Ellbogen noch Fäuste etwas im Miteinander zu suchen.
Dass das Deutsche für die schöne Geste des Handgebens ein so hässliches Wort wie „Handschlag“ verwendet, ist also eine eher scheussliche Erkenntnis. Gibt es diese Wendung, diese Wortzusammensetzung auch in anderen Sprachen.
Im Englischen schüttelt man sich die Hand, ein handshake. Auch das ist nicht ganz ohne Körpereinsatz, aber wenn die Ausführung elegant ist, dann kann so eine geschüttelte Hand doch gleich mal in einen schönen Rhythmus geraten.
Vielleicht sollten wir die Gelegenheit nutzen, um in dieser Zeit der verbreiteten Berührungslosigkeit und manch verkümmerter Gesten bessere Formen und nicht zuletzt ein besseres Wort für das finden, was uns fehlt.
Aus der Epoche des Handkusses sind wir raus; aber wir könnten doch einen Handgruß einführen, der dem schriftlichen „freundlichen Gruß“ näherkäme. Und auch für eine andere Wortkreation, die die zugewandte Geste tatsächlich in ein schönes Wort fassen könnte, ist Tür und Tor geöffnet.
Nutzen wir die Zeit, um uns in allen Lagen die Hand zu reichen. Freundlich, berührend, interessiert und respektvoll. Das geht auch in körperlicher Distanz. Moin, Ahoi und Salve!