Intellekt
Jetzt wird es anspruchsvoll, anstrengend, elitär, philosophisch, was auch immer. Intellekt macht auf jeden Fall erst mal ein Faß auf. Beginnen wir damit, ihn abzugrenzen von Intelligenz.
Während man zweitere schulen und entwickeln kann – je nach persönlicher Verfasstheit, je nach Glück und zuweilen auch Verstand mehr oder weniger – ist das mit dem Intellekt eher eine Persönlichkeitsfrage. Und eine Angelegenheit von Bildung. Wie? Dann kann man die doch auch schulen?!
Ja, im Prinzip schon. Das Problem dabei ist nur: Schulen bilden immer weniger – wenn man Bildung nicht verwechselt mit fachspezifischer, berufsorientierter Ausbildung.
Schulen richten sich aus an einem Umfeld, das besteht aus Eltern, (Familien-)Herkunft und schließlich dem Bildungssubjekt Kind. Aus einer Interpretation daraus kategorisieren Schulen die Zöglinge und ordnen sie ein in Schubladen. Je nachdem, nach welchem Maßstab diese Schublade etikettiert wird, kommt die Entscheidung über die Schul-Form zustande, die dieses System für geeignet hält.
Das Lehrpersonal wiederum folgt ähnlichen Einordnungsmethoden und umhegt entsprechend in der Regel die, die in die Schublade „intelligent“ sortiert wurden. Die anderen werden noch irgendwie gefördert, aber das ist meist schon der Anfang vom Ende.
Dass jede und jeder über die Option verfügt, Intellekt zu entwickeln, geht dabei unter. Intellekt nämlich bedeutet, über eine besondere Wahrnehmung und ein Erkenntnisvermögen zu verfügen bzw. diese Eigenschaften entwickeln zu können. Dazu braucht es keine besonderen Rechenkünste, keine Vielsprachigkeit oder die Fähigkeit, chemische Formeln runterbeten zu können.
Das aber ist es, was unser „Bildungssystem“ vermittelt. Leider selten Bildung, sondern vielmehr das, was es für wissenswert erachtet.
Dass dieses Wissen mittlerweile in Überfülle und für alle frei verfügbar und somit nicht an (pädagogisches) Fachpersonal mit entsprechender Ausbildung gebunden ist, scheint bei den Meisten noch nicht angekommen zu sein. Sonst wären Schulen ja andere Orte, als sie es heute sind.
Hätten heute mehr Menschen Intellekt, den sie hätten herausbilden können, wäre die Welt wahrscheinlich an vielen Stellen ein schönerer Ort für Zuversicht. Die Omnikrise, die uns so wütend weil hilflos macht, wäre a) nicht so omni und b) weniger Krise. Und im Weiteren könnten wir mit mehr geteiltem Intellekt, der sich kooperativ austauscht, mit diesen Krisen (wären sie denn trotz intellektueller Grundausstattung vorhanden) viel besser, kreativer, geschickter und zukunftsorientierter umgehen als das aktuell erkennbar ist. Es gäbe weniger schnelle Vereinfachung und mehr groß angelegte Entdeckungsfreude, weniger Einfältigkeit und mehr Optionsviefalt.
An dieser Stelle also folgender Appell: Nehmen wir uns Zeit, nehmen wir mit Geduld und nicht zuletzt grenzenloser Neugierde die Welt wahr, suchen wir nach Erkenntnissen, tauschen wir uns darüber aus und machen wir uns zuversichtlich daran, die Welt wieder zu einem besseren Ort zu machen.
Denn nicht nur die - mit allem, was sich darauf befindet - auch wir haben es verdient. Sollte man meinen. Wenn man mal drüber nachdenkt.