Idealismus
Ein großes Wort. Irgendwie aus der Zeit gefallen. Zeit spielt jedoch eine nicht unbedeutende Rolle für den Idealismus. Der fällt ja nicht einfach so vom Himmel, den hat man nicht einfach so und den kann man sich auch nicht erarbeiten. Wie also entsteht Idealismus? Was macht ihn aus?
Man kann die Verbindung zu weiteren Begriffen sehen, alle beinhalten etwas, das sich vom soliden Boden der Tatsachen abhebt. Vision zum Beispiel. Oder Utopie. Vielleicht auch Faszination. Da wird es der Bürokraten-Seele und den Funktionären dieser Welt dann schnell zu schwammig. Ist das nützlich oder kann das weg?
Nein. Kann nicht weg! Wenn wir Ideale, Faszination, visionäre Kraft, utopische Größe, missionarischen Mut und - sozusagen in einem Aufwasch - gleich auch noch Kreativität aus dem Weg schaffen, all diesen nicht greifbaren Phänomenen keinen Wert beimessen und uns auf die messbaren, in kleinen Schritten erreichbaren und verkaufbaren Dinge zurückziehen, dann wird unser Leben ganz schön arm.
Arm an Vorstellungskraft, an Motivation und an dem festen (!) Glauben daran, dass Menschen etwas gestalten können, das über das hinausgeht, was als machbar gilt - weil man es kennt, weil es immer schon so war, weil die Funktionstüchtigkeit als erwiesen gilt.
Nur was empirisch beweisbar ist, hat nach dieser Auffassung Bedeutung. Das führt nur in eine Richtung: in die Bedeutungslosigkeit.
Nun kann man sich fragen, welche Rolle Ideale spielen in einer Welt, in der das Populäre, zu oft das Vulgäre, das Banale die bestimmenden Faktoren zu sein scheinen. Wo ist noch Platz für das, was Ideale ausmacht?
Hier sind wir wieder bei der Zeit, die wir uns nehmen und die wir einbeziehen müssen. Darüberhinaus ergänzen wir Bereitschaft, Fähigkeit, Willenskraft - dafür, sich mit der Welt zu befassen, auseinanderzusetzen, sich ihr suchend aus verschiedenen Perspekten immer wieder neu zu nähern. Um daraus die Lehren ziehen zu können, was es mit dieser Welt und den Menschen, die sie bevölkern, auf sich hat. Oder haben könnte.
Man wird unweigerlich zu dem Schluss kommen, das da gerade eine Menge in Unordnung ist, dass es faktisch an Vielem mangelt, dass die Wirklichkeit also mit enormen Mankos versehen ist. Wer da nicht verzweifelt den Kopf in den Sand steckt oder um sich schlägt, wer im Gegenteil in der Lage ist, einen Idealzustand zu imaginieren, der oder die sieht dann auch das, was an Ideen, an Ästhetik, an Kultur und an anderen Erscheinungen idealen Miteinanders da ist. Und das ist wiederum die Grundlage dafür, dass die Dinge, die weit entfernt davon sind, ideal zu sein, doch besser werden können.
Genau das macht Idealismus aus. Nicht die irreale Vorstellung, dass an einem Reißbrett alles idealtypisch nach Plänen und Vorgaben realisierbar wäre, sondern dass jeder Mensch mit seiner Vorstellungskraft und in seiner Zeit eben doch etwas bewegen und gestalten kann, das dem Ideal ein Stückchen näher kommt. Und das kann doch nur voranbringen.