Fassungslosigkeit
Nur wenn eine Glühbirne richtig in ihrer Halterung eingeschraubt ist, kann sie leuchten. Nur wenn ein Stein fest in seiner Fassung sitzt, kann er wirken. Und nur wenn ein Bild eine stabile Aufhängung hat, kann man es in Ruhe betrachten.
In dieser bewegten Zeit brauchen wir Motivation, Flexibilität, Spontanität. Eine störrische Haltung, das Festhalten an überkommenen Methoden, eine Änderungsunwilligkeit ist nicht nur langweilig, sondern gerade jetzt nicht zielführend.
Doch dies zu verwechseln mit einer hektischen Verfahrensweise, bei der alles und jedes infrage gestellt wird, wo nichts mehr gelten sollte und wo Stabilität mit Halsstarrigkeit verwechselt wird, wäre fatal.
Aktuell wabert Verunsicherung durch unsere Welt, die aus vielen Themen resultiert, auf die es nie nur eine Antwort gibt und geben kann. Und es entstehen Phänomene, die einem manchmal den Atem stocken lassen.
Wie ist es möglich, dass in einer zivilisierten Welt plötzlich Hass und Häme tsunami-gleich die Medien fluten? Wie können Menschen Attentate auf andere Menschen ausüben aus regelrecht kranken Ressentiments heraus? Wie kann es sein, dass sich Gruppen zusammenrotten, um demokratische Institutionen zu stürmen? Und wie können scheinbar gebildete Personen in einer Weise Unwahrheiten und Bösartigkeiten auskübeln, die nur spalten und nichts zur Aufklärung beitragen?
Diese Fragen ließen sich endlos fortsetzen. Und sie werden verbreitet mit traurigem Kopfschütteln kommentiert.
Fassungslosigkeit macht sich breit. Doch genau das sollten wir nicht zulassen!
Diese Welt braucht Menschen, die sich klug wappnen, die lernen, die sich austauschen, die reflektieren und die nicht müde werden, neue Wege zu finden, ohne die Fassung, ohne den Halt zu verlieren.
Die Fassung wiederzugewinnen, einen Halt zu finden, der Aufklärung, Einsicht und Energie gibt – das muss die Antwort sein, die wir dem Irrsinn entgegenstellen.
Wir müssen uns die Mühe machen, nachzufragen, zu forschen, herauszubekommen, was uns möglich ist, wer und wo diejenigen sind, die man braucht, um auf stabilem Grund etwas aufzubauen, das fest und gleichzeitig elastisch genug ist, den Stürmen von außen standhalten zu können.
Dann wird es immer noch Ereignisse geben, die uns mal die Fassung rauben. Doch wir haben dem dann etwas entgegenzusetzen, was uns nicht gleich umwirft und zur Erstarrung bringt. Stattdessen haben wir gelernt, mit erhobenem Haupt und Ideen im Kopf die Ruhe zu bewahren. Das würde uns in jeder Hinsicht eine gute Verfassung geben.