Erfindung

„Das ist doch bloß erfunden!“ kann man hören, wenn ein Kind einem bei einer Räuberpistole auf die Schliche kommt. Ähnlich halten es Leute, die in diesem Stadium hängen geblieben sind und nicht dazu lernen wollen. Man will nicht glauben, was man hört und sieht.

Andersherum haben Erfindungen wiederum genau die gegenteilige Bedeutung. Wer etwas erfindet, mit einem Geniestreich die Welt zum Erstaunen bringt oder gar innovativ ist, der (und manchmal sogar die) wird gefeiert.

Der Grat zwischen Genialität und Irrsinn, zwischen Lösung und Erzeugung eines Problems durch Erfindung ist schmal. Oder anders gesagt: Erfindung ist weder gut noch schlecht, sie kann beides sein - und das sogar gleichzeitig. Ganz schön vertrackt also.

Versuchen wir mal, auseinanderzudröseln, wann was gilt.

Wissenschaft, Forschung und der Erfindungsgeist haben verbreitet durchaus einen guten Ruf. Was haben wir klugen Köpfen nicht alles zu verdanken: Heilende Medizin, helles Licht, den Kühlschrank, kabelloses weltweites Telefonieren, atmungsaktive Sportklamotten – eine Liste ohne Ende.

Doch eben auch das ist erfunden worden: schädigende Drogen, präzise Waffen, SUV, Schummelsoftware.

Nehmen wir – für die direkte Gegenüberstellung von segensreich und verheerend in einem: das Internet. Großartige Sache. Hier sollten sich Demokratie, Kommunikation, Völkerverständigung, das gesamte soziale Menschenleben in eine geniale gemeinsame Zukunft entwickeln. Doch zu kämpfen haben wir mit Hass-Nachrichten, mit Cyberkriminalität, mit Mißbrauch und Spaltungen im sozialen Welt-Gefüge.

Auch dagegen könnte man sicherlich Erfindungen setzen: Algorithmen z.B., die Übles aussortieren und das Gute belohnen. Doch schon bei dieser einfachen Rechnung wird klar: Wo hört das Eine auf, wo fängt das Andere an? Wer entscheidet über den Inhalt von Gut und Böse, über die Auswirkungen – und in welchem Maßstab?

Hier liegt ein wesentliches Grundproblem: Solange die Menschheit sich im Ganzen nicht einig darüber ist, welchen Werten, welchen Vorstellungen sie folgen möchte und welche Maßnahmen aus dieser Entscheidung heraus zu treffen sind, so lange kann fast jede Erfindung – so gut sie auch gemeint zu sein scheint – in ihr Negativ umfunktioniert werden.

Das ist dann problematisch, wenn a) die Erfindung sehr schnell zur Umsetzung gelangt, die Auswirkungen aber erst viel später erkannt werden können. Und b) wenn der Wissensstand und die Entscheidungspositionen nicht umfangreich und gebündelt genug sind, um solche Entwicklungen mitzudenken und fachkundig zu begleiten.

Und wenn es dann noch an Möglichkeiten und Einfluss mangelt, bei Gefährdung sofort aktiv zu werden, sondern wenn auch das alles noch viel zu lange dauert, dann reicht es eben nicht, nach der nächsten Erfindung zu rufen, die das entstandende Desaster wieder richten soll.

Wir haben nicht mehr genug Zeit, um für all die offenen Punkte dieser Welt etwas zu erfinden, das die Schäden behebt und solche für die Zukunft vermeiden kann. Aber wir haben es durchaus in der Hand, uns selber zu erforschen und nach Ideen zu suchen, wie wir Teil der Lösung sein und werden können.

Na denn mal los – hoffentlich ist viel Erfindungsgeist da draußen wach. Ansonsten: Wecker stellen.

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