Dauer

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Wenn man zu hören bekommt „Das dauert!“ sieht man die genervt gerunzelte Stirn gleich schon mit. Da wird Zeit verschwendet, die Dinge ziehen sich wie Kaugummi.

Im 21. Jahrhundert haben die Dinge schnell zu gehen. Man hat keine Zeit, schon mal gar nicht zu verschenken.

Das spiegelt sich auch im Sport wider: Yoga mag zwar gesund sein, aber spektakulär ist das nicht. Da allerdings, wo gerannt, gerast und schnell ein Ziel erreicht wird, in Rekordzeit und weltmeisterlich, da braust der Jubel auf, da werden Auszeichnungen vergeben.

Gleichzeitig wollen wir immer länger leben, unsere Lebensdauer soll am besten gar kein Ende haben. Und so eilen wir durch die Welt, in dem Bestreben, nie still zu stehen, alles mitzunehmen und alles zu bekommen. Davon haben wir dann nie sehr lange etwas, weil wir ja weitermüssen. Das nächste kurzweilige Erlebnis wartet schon. Da kann man sich mit dem Moment nicht lange aufhalten.

Wie schade, wo doch manch ein Moment so wunderbar sein kann, dass er am liebsten dauerhaft bleiben könnte.

Wenn etwas von Dauer ist, dann ist es eine Frage der Perspektive und des Moments, ob wir das positiv oder schrecklich finden.
Die Bohrerei am Zahn soll bitte nicht so lange dauern. Der Applaus für eine gelungene Aufführung dagegen könnte ewig anhalten. Stürmisch-kaltes Regenwetter möchte man nicht tagelang haben, die benebelnde Zeit des Verliebtseins aber, die möchte man festhalten.

Während der Bohrer tatsächlich den Zahn irgendwann nicht mehr traktiert und auch der Regen schnell vergessen ist, wenn die ersten Sonnenstrahlen hervorlugen, so geht der fromme Wunsch, das Schöne möge nie zu Ende gehen, leider nicht in Erfüllung. Auch, wenn man es nicht glauben kann: Die Anfangsliebe bleibt nie, wie sie war, die traumhaft schöne Musik und der Applaus verebben irgendwann.

Was aber möglich bleibt ist, diese Erinnerung, diese Gefühle, diese Momente im Kopf zu bewahren, zu bedenken und daraus dauerhaft Energie zu schöpfen.
Das Denken, auch immer wieder neu und anders zu denken, das gibt die Grundlage dafür, das Wichtige zu erhalten und daraus etwas zu gestalten, was andauert.

Allerdings ist dieses Phänomen flüchtig. Nichts dauert ewig, wenn es in Vergessenheit gerät, wenn man sich keine Mühe gibt, das zu pflegen, was es wert ist zu bleiben und weiter entwickelt zu werden.

Der Ruhm des rasenden Sportlers ist schnell verblasst, wenn es nur um messbare Geschwindigkeit geht. Der nächste Rekordbrecher steht schon in den Startlöchern.
Das Werk einer Künstlerin dagegen kann bis heute und bis in die Zukunft wirken, wenn es Menschen berührt und bewegt oder wenn es Fragen stellt und das Denken anregt.

Lassen wir uns also doch mal wieder mehr Zeit, genießen den Moment, halten inne, trinken einen Tee. Und freuen uns, wenn es mal etwas länger dauert.
Vielleicht passiert ja genau dann das, was uns froh macht.

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