Aufmerksamkeit
„Hier!“ „Jetzt!“ „Neu!“ Überall begegnen uns die Hinweis-Brüller, die um unsere Aufmerksamkeit kämpfen. Je lauter, je krasser, je schriller, desto erfolgreicher. Es bleibt kaum die Möglichkeit, sich dieser Maschinerie zu entziehen. Selbst Hartgesottenen fällt es da schwer, standzuhalten und Ruhe zu bewahren.
Doch ist dieser dauernde Ruf nach Beachtung das, was mit Aufmerksamkeit wirklich gemeint ist? Oder gemeint sein sollte?
Nehmen wir das Wort doch mal auseinander.
Der zentrale Begriff ist „Merken“. Der ist in verschiedenen Kontexten anwendbar und unterschiedlich interpretierbar.
So kann man zum Beispiel Jemanden bemerken. Nicht nur, weil diese Person ein Megafon in der Hand halten und da hineinschreien würde. Nicht, weil sie signalrot gekleidet wäre und man gar nicht vorbei schauen kann. Oder weil sie einen anstößt, schubst und nicht in Frieden lässt.
Bemerken kann man auch einen Menschen, der aus ganzem Herzen lacht. Einen anderen, der dagegen unglücklich zu sein scheint. Einen, der Hilfe braucht. Und einen nächsten, der etwas Kluges sagt.
Menschen, die also nicht auffallen durch Marktschreierisches, sondern durch stille Hinweise, durch etwas, das erst beim genaueren Hinsehen erkennbar wird.
Und damit kommen wir zu einer weiteren Bedeutung von „Merken“. Wir versuchen alle, gute Wege zu finden, wie wir uns etwas merken können. Eine bestimmte Formel, ein Zitat, die Dinge, die auf dem Einkaufszettel stehen oder das, was sich ein wichtiger Mensch zum Geburtstag gewünscht hat.
Merkfähigkeit kann man lange in seinem Leben trainieren, nicht nur in der Schulzeit. Auch, wenn sie mit zunehmendem Alter naturgemäß etwas schwindet, merkt man (!) immer noch, dass dies eine Fähigkeit ist, die unser Leben enorm bereichert. Und die entsprechend sehr fehlt, wenn sie nachlässt. Dabei und neugierig zu bleiben ist ein gutes Mittel, das man sich zur Gegenwehr merken sollte.
Sich also ständig bewusst zu machen, dass Aufmerksamkeit im Kern etwas ist, das uns im Leben und auch im Zusammenleben hilft und nicht einer Marketing-Maschinerie untergeordnet werden sollte, kann nicht schaden.
Denn so ist auch erkennbar, dass echte Aufmerksamkeit mehr ist als der schnelle Blick, der noch schnellere Click und die reine Äußerlichkeit. Dass es stattdessen großen Wert hat, länger hinzuschauen, tiefer hinter die Fassade zu blicken und sich etwas länger einem Menschen oder auch einer wichtigen Sache zu widmen. Um verstehen zu können, was langfristig gut ist und etwas bedeutet.
Das sind sehr selten die Dinge, die uns kurz die Aufmerksamkeit rauben, weil es flackert und tost. Viel häufiger ist es die kleine Geste, der schöne Moment, die Erinnerung, die lange nachwirkt und die man sich dann auch merken kann. Während all der Tand, die Knallbonbons, die bunten Hinweisschilder schnell vergessen sind, weil sie dem Leben kaum etwas Relevantes hinzufügen konnten.
Nicht „Hier! Sofort!“ sollte also unsere Aufmerksamkeit fangen. Sondern die kleine Botschaft, die zwischen den Zeilen steht. Nicht leicht zu finden. Aber dann umso bemerkenswerter: eine kleine Aufmerksamkeit.