Architektur

Erst einmal scheint dieser Begriff ja ganz klar zu sein. Gebäude sind Gebilde der Architektur. Die sind mal schön, mal weniger, zweckmäßig oder nicht, aus Holz, Stein oder anderen Materialien usw. Damit Architektur entsteht, braucht es einen Bauherren - die Baudame kommt im Vokabular nicht vor - und eine Person, die sich mit Planen und Bauen auskennt: die Architektin oder den Architekten.

Diese Fachleute haben heute nicht mehr so viel mit Zirkel und Geodreieck zu tun, sondern eher mit computergesteuerten Programmen, mit denen ein Gebäude inkl. aller technischer Aspekte bis ins kleinste Detail entworfen und konstruiert wird. Building Information Modelling heißt das dann. Da kommt Gestaltung, Kreation, Kultur eher nicht mehr vor.

Dabei benötigen wir überall auf der Welt genau davon mehr. Ein Großmeister seines Fachs, der Architekt Volkwin Marg, sprach in einem TV-Interview einmal davon, dass Architektur „soziale Güte“ bräuchte.

Was für eine wunderbare Definition dieser Kunst.

Wenn Architektur immer mehr zu Programm wird, zu effizientem IT-Modellieren von Raum oder - in ganz besonderen Fällen - zu einem Vorzeigeobjekt, dann droht etwas Entscheidendes verloren zu gehen: genau diese soziale Güte.

Damit ist nun nicht das gemeint, was „Sozialbau“ in Deutschland typischerweise bereitstellt. Hier haben wir es mit einer politischen Dimension zu tun, die tatsächlich vorrangig effizient (selten gütig) gedacht ist: Wo bekommt man Menschen, die im System kaum eine ergiebige Rolle spielen, systemerhaltend unter. Da geht es weniger um gute Wohnbedingungen, da wird stattdessen eine weitere Stellschraube im Sinne von Sozialleistung gedreht.

Architektur, die wiederum die Idee von Marg aufgreift, die befriedet Menschen, nicht Systeme. Die gibt Menschen und Gesellschaften Raum, sich zu entfalten, weckt Gestaltungsfreiheit, ermöglicht individuelle Ausdrucksfähigeit, macht soziales Leben überhaupt erst zu dem, was wir uns darunter vorstellen.

In guten Räumen entstehen gute Lebensbedingungen, gute Gespräche, gute Ideen, gutes Miteinander, gutes Entwickeln. Die Gestalt eines Außen: wie wirkt das Gebäude auf jemanden, der es betritt - und eines Innen: was erlebt man, wenn man sich im Raum bewegt, dort innehält, sich setzt und auch wieder geht - das zusammen macht Architektur aus.

Das alles wiederum steht im Bezug zu äußeren Bedingungen: Klima, Vegetation, Kultur, Ressourcen, Lebensbedürfnissen, Arbeits- und Lernmethoden und noch Vielem anderen mehr. Das, was an einem Ort und zu einer bestimmten Zeit gute Architektur ist und war, das gilt unter anderen Umständen nicht. Oder nicht mehr.

Denn Architektur - besonders dann, wenn man sie als soziales Phänomen begreift - hat so viele Gesichter, wie es Menschen zu unterschiedlichen Zeiten gab und gibt. Umso besser, wenn es Architekt:innen verstehen, ihr Können mit „sozialer Güte“ zu verbinden und Gesellschaften etwas zu geben, was nicht nur funktioniert, sondern vor allem menschlichem Leben Räume gibt, die sich nicht in erster Linie schließen, stattdessen für Viele und Vieles öffnen lassen.

Hereinspaziert.

Zurück
Zurück

Transformation

Weiter
Weiter

Bescheidenheit