Ablenkung
Ein verbreitetes Phänomen. Der Blick auf das Smartphone, der Kopf woanders, die Musik auf den Ohren. Es prasselt auf uns ein, wir entfliehen der Welt, suchen Sinneseindrücke allerorten. In Momenten ohne Beschäftigung, ohne den Bann äußerer Impulse fühlen wir uns ausgeliefert. Was macht man mit sich und der Zeit, ohne dass sich etwas tut?
Zum einen ist Stillstand und Nichtstun ja nicht vorgesehen. Es muss immer weitergehen, man muss stets irgendetwas zu tun haben, eine Aktion erkennen lassen und am Ende etwas zu berichten haben. Wer hat schon davon gehört, dass man keine Neuigkeit zu vermelden hätte, sich nicht beteiligen kann an dem jüngsten Gossip aus Serie, Twitter-Zeichen oder Facebook-Einträgen.
Doch was ist das eigentlich, was aus all dieser Beschäftigung tatsächlich resultiert? Ist man schlauer, hat eine neue Idee, versteht etwas besser, fühlt sich wohler?
Manchmal vielleicht schon. Das ist ja auch sehr entspannend, wenn man mal nur einer unterhaltsamen Geschichte folgen kann, ein bisschen rumchattet oder einfach nur schöne Musik hört.
Soweit, so gut.
Doch wie bei Schokolade, Chips und Biowein – des Guten kann auch zu viel sein. Wenn die Befassung mit all diesen fremden Impulsen aus Binge-Watching, Bullemie-Entertainment und suchthaftem Whatsappen zu einer dauernden Unaufmerksamkeit führt, dann läuft wohl was falsch.
Anstatt dem, was um uns herum stattfindet, Aufmerksamkeit zu schenken (!), also dem, was uns zu wirklich sozialen Menschen macht, was uns bereichert, was uns innehalten lässt und aus dem wir etwas lernen können, lenken wir uns permanent von dem Geschehen um uns herum ab.
Ablenkung ist dann nichts mehr, was sporadisch stattfindet, um mal einen anderen Weg als den schnurgeraden zu gehen, sondern die Dauer-Umleitung.
Die beste Weise, sich ablenken zu lassen wäre doch die, dann wirklich mal alles beiseite zu schieben, was sonst so los ist. Sich stattdessen auf eine Abbiegung einzulassen, die vielleicht in ein Nichts führt. Wo man bleiben könnte, bis man sich aus dem Modus des atemlosen Herumgerennes erholt hätte. Und von wo aus man dann einen neuen Weg findet, der sich hinter keinem Bildschirm hätte entdecken lassen.
Lassen wir uns also doch mal ein auf eine Ab-Lenkung, die diesen Namen auch verdient. Die uns woanders hinbringt. Und die vielleicht auch den Blick schärft für das, was um uns herum in der realen Welt stattfindet. Eine Welt, die nicht bevölkert ist mit Avataren, mit Chatbots und anderen unterhaltsamen Figuren, sondern in der es eine Vielzahl unterschiedlicher Menschen gibt.
Das könnte eine richtig spannende Reise sein.