Trotz
Mal wieder ein Begriff, der bei uns keinen besonders guten Ruf genießt. Trotzköpfe sind renitente Störenfriede, Nein-Sager und biestige Zeitgenossen. Schon in der Jugend-, vor allem der Mädchenliteratur, werden sie entsprechend miesepetrig und unsympathisch dargestellt.
Dabei hat der Trotz - und erst recht der in Verbindung mit einem Kopf - ganz schön viel zu bieten.
Er ist nichts für Harmoniesüchtige oder für den gepflegten Umgang in besseren Kreisen. Dort stößt man mit totzigem Auftreten auf Unverständnis. Auch im erwachsenen politischen Umfeld hat dieses Verhalten eher nichts zu suchen. Zumindest nicht, wenn Trotz als schlechtgelaunte Anti-Pose daherkommt, bei der Ablehnung und Verweigerung alles niedermachen, wozu es den Diskurs braucht.
Der „gute Trotz“, dem hier mal die Bühne bereitet werden soll, hat dagegen ein eher kindliches oder ein ironisches Format. Fangen wir bei den Kindern an. Ein „Neeeeiiin!“ kann man als nerviges Trotzverhalten oder als Austesten eigener Möglichkeiten auffassen. Entsprechend reagiert man darauf mit Ermahnung oder man versucht, mit Wohlwollen und einer Prise inneren Humors gegenzuhalten bzw. Türen zu öffnen, um dem Frust einen Ausweg zu bieten.
Bei Erwachsenen ist die Nummer nicht ganz so einfach. Da gibt es unterschiedliche Ausprägungen von Trotz, die von Machtansprüchen bis hin zu politischem Kalkül eine breite Klaviatur bedienen. Ob ein Politiker seine Wahlniederlage nicht eingestehen will oder im Unternehmen eine trotzige Koalition gegen Veränderungen geschmiedet wird - es geht in der Regel darum, eine unliebsame Entwicklung persönlich nicht anerkennen zu wollen.
Es gibt aber auch den Trotz, der kreatives Potenzial freisetzt. Widerstand, Störung des Betriebs, Demonstrationen gegen asoziale Entscheidungen können als Trotzreaktionen verstanden werden, die Menschen in die Lage verstetzt, gegen Repressalien oder reaktionäre Tendenzen anzugehen, sich zu wehren.
Dann ist Trotz eine wirksame Methode, um einer fatalen Entwicklung etwas entgegenzusetzen.
Gehen Tausende von Schülerinnen und Schülern freitags auf die Straße und demonstrieren für einen klimagerechten Umbau der Systeme anstatt brav in der Schule zu hocken, halten Schwarze Menschen den Betrieb an, um sich gegen Rassismus und Benachteiligung zur Wehr zu setzen oder geht ein Einzelner in sein Land zurück, obwohl er weiß, dass er dort sicher eingekerkert und mißhandelt werden wird, so kann man das als heroisch oder eben als eine trotzige Maßnahme verstehen, mit denen Systeme und Machtinhaber nicht rechnen.
Und genau das macht Trotz aus. Er kommt in der Regel überraschend, überrumpelt die Regelkonformen, passt nicht ins Bild und ermöglich gerade darum Erneuerung, Fortschritt und emotionale Bewegtheit.
So aufgelöst kann man dem Trotz doch durchaus etwas abgewinnen. Und Trotzköpfe umarmen.