Spontanität

Es gab einmal eine Zeit, in der Generationen nicht nach Automarken oder letzten Buchstaben des Alphabets benannt wurden, sondern richtig klingende Bezeichnungen hatten. Spontis war so eine. Darunter konnte man sich etwas vorstellen. 

Leute, die keinen Plan hatten, die spontan vor sich hinlebten, vor allem aber spontan aktiv waren und sich in kein Raster einordnen ließen. 

Womit paradoxerweise allerdings doch genau das passierte: Sie wurden zu einer untersuchten, definierten Gruppe. 

Da „Spontis“ nach dieser Definition und Vorstellung eher die Rebellen, die Langhaarigen und schlussendlich diejenigen waren, die nach landläufigen Meinungen zu nicht nutze – also Nichtsnutze – waren, haben sie bis heute einen schlechten Ruf.

Kann man mit Spontis planen? Können die für Ordnung sorgen? Funktionieren Organisationen und Institutionen in Sponti-Manier? 

Alles rhetorische Fragen. Die Antwort lautet durchgehend: Nein.

In einer Zeit, in der Systemrelevanz zum neuen Leitbild wird, in der Strukturen eingezogen werden, in der alles funktionieren muss, haben es Menschen, die spontan vorgehen wollen, schwer.

Zwar gibt es viele Versuche, das Leben – insbesondere das Arbeitsleben – neu zu denken: agil, hierarchiefrei, fluid und so weiter. Doch führt dies gleichzeitig bei Vielen zu einer Verunsicherung, die der Ablehnung von Spontis sehr ähnelt. Das kann doch nicht funktionieren.

Offenbar also scheint spontanes Handeln einer langfristigen Planung hin zu einem funktionierenden Ergebnis zu widersprechen. Konsequenz muss folgerichtig wie das Gegenstück zu Spontanität erscheinen. 

Wo soll denn unter diesen engen Vorgaben bitte schön Raum bleiben, um einfach mal das zu tun, was einem in den Sinn kommt – wenn man stets über das Hier und Jetzt hinausdenken soll? 

Nun. Vielleicht bleibt die Vase heile, die man in spontaner Aktion an die Wand geschmettert hat….

Aber versuchen wir das Ganze doch mal andersherum zu denken. Und „denken“ ist dann tatsächlich das wesentliche Stichwort.

In der Regel wird Spontanität mit impulsivem Handeln assoziiert. Und spontan kann es nur sein, weil zuvor nicht nach- und auch nicht vorausgedacht wurde. Denn Denken – in den oben erwähnten Konsequenzen denken – tötet die Spontanität. Da bleibt doch nur der schnöde Plan übrig. Langweilig, ewig gleich, unkreativ wie ein amtliches Stück Papier.

Gegenfrage also: Kann man spontan denken? Oder: Kann man denken UND spontan sein?

Der berühmte Geistesblitz, der zu großen Taten führt, könnte ein Beispiel für denkende Spontanität sein. Dann ist der Gedanke nicht in zeitlicher Unmittelbarkeit mit der Tat verbunden – oftmals liegen Jahre, Jahrzehnte oder sogar ganze Jahrhunderte zwischen beiden Punkten. Aber es lag kein Plan zugrunde. Der hat sich möglicherweise erst aus der spontanen Idee entwickelt. Und vielleicht sogar die Umsetzung derart lange verzögert.

Wie wäre es also, wenn wir spontane Äußerungen, spontane Ideen, spontane Aktivitäten nicht erst mal kritisch als nicht durchdacht beiseite schieben, sondern sie aufgreifen würden, um ein Experiment zu wagen, das gleichzeitig etwas bewirkt. Und damit Konsequenz hat.

Vielfach muss dazu etwas Bestehendes in Frage gestellt, umgangen, vielleicht sogar umgehauen werden, um die Welt zu öffnen für einen anderen Weg, eine neue Methode, ein unorganisiertes Miteinander.

Für Viele, die wir uns im System eingerichtet haben, ist diese Aussicht so befremdlich, wie ein Sponti in einem demokratischen Parlament. Aber da sind sie nun. Vielleicht also schaffen es spontane Menschen bis in die Hall of Fame unserer Spezies. Und reihen sich dort nicht zu einer langweiligen Ahnengalerie auf, sondern inspirieren uns konsequent weiter zu einem kreativen Miteinander voller neuer Ideen und Aktivitäten, die bunt sind, gute Laune machen und uns weiterbringen.

Dann kann das System einpacken. Es sei denn, es wird auch spontan. 

Zurück
Zurück

Prägung

Weiter
Weiter

Zeit