Spekulation
Während auf der einen Seite die Wissenschaft aus Elfenbeintürmen und Laboren in die Öffentlichkeit kommt und gehört wird, regen sich auf der anderen Seite diejenigen, die gerne Vermutungen anstellen und lautstark Parolen verkünden.
Ist zwischen diesen beiden Polen noch Platz?
Der Kern dieser Konfrontation ist die Suche nach Antworten in einer Welt, in der es DAS Wahre, DAS Richtige, DAS Wirkliche nicht mehr zu geben scheint. Stattdessen eröffnet sich eine immer größer werdende Vielzahl von Möglichkeiten, die einfach nicht mehr durchschaubar ist.
Egal, um was es geht – Bildung, Mobilität, Technik, Kommunikation, Gesundheit, Umwelt, Arbeit, Wohnen, Familie, ja eigentlich das ganze Leben – es gibt nicht nur zwei, sondern mindestens eine Handvoll Meinungen. Alle gut gemeint natürlich.
Das Problem an der Sache: In vielen Fällen fehlt etwas VOR dieser Meinung: Die Frage nämlich. Man könnte denken: Kein Problem. Stellen wir halt eine Frage und antworten dann mit dem, was wir meinen. Doch so einfach ist es nicht.
Wer mal versucht hat, kluge, also wirklich auf den Kern der Sache dringende Fragen zu stellen weiß, dass das eine echt schwierige Angelegenheit ist.
Wie z.B. lautet die Frage nach der besten Antwort zu Bildungsinhalten? Was wollen wir wissen – also wirklich wissen – zu den Gründen, die für oder gegen eMobility sprechen? Welche Hintergründe fehlen uns zum Verständnis von Digitalisierung? Und was wollte man gerne mal über die Lebensmittelproduktion erfahren?
Wenn man ehrlich ist, will man es oft genug gar nicht so genau wissen. Man informiert sich zwar über die (?) Medien, deren Nachrichten man zwischendurch in kleinen Häppchen aufnehmen kann, aber für mehr reicht es nicht. Es reicht nicht die Zeit, nicht die Aufmerksamkeit, nicht das Interesse. Denn wenn man einmal angefangen hat, sich auf die Suche nach Fragen und den jeweils verschiedenen Antworten zu machen, tut sich das berühmte Fass ohne Boden auf.
Schade eigentlich. So kommt man ja nur schwer weiter auf dem Weg, sinnvolle Antworten zu finden, wenn schon die Fragen fehlen.
Aber vielleicht kann man – und hier nun endlich kommt sie – der Spekulation mal das Wort reden. Dann nämlich, wenn man Spekulation nicht als verschwurbelte Meinungsmache versteht, sondern als eine offene kommunikative Art, Überlegungen zu äußern, die man mit anderen austauschen möchte. Als Impuls, über den in der Folge im Gespräch Gedanken, Ideen und eben Fragen entstehen, die so spannend sind, dass man – vielleicht gemeinsam –Antworten dazu suchen möchte.
Dann kann aus der Spekulation etwas werden, was in der Wissenschaft These genannt wird, an die man sich ergebnisoffen heranbegibt. Wenn man also die ursprüngliche lateinische Bedeutung von Spekulation – das Auskundschaften – zugrunde legt und sich mal aufmacht, etwas herauszufinden. Dabei lässt sich bestimmt etwas entdecken, das nicht für alle gleichermaßen gilt, aber doch gemeinschaftlichen Konsens ermöglicht.
Der liegt dann zwischen den extremen Polen – in einer gemäßigten Zone. Spekulieren wir mal, was das für die Welt bedeuten würde.