Schwäche

„Ganz schön schwach“ ist keine anerkennende Äußerung. Auch, wenn diese Schwäche mit „schön“ geadelt wird. Kinder sind schwach, Kranke, alte Menschen. Und Frauen. Selbst, wenn sie stark scheinen oder sein wollen. Lauter Geschöpfe, die geschützt werden müssen.

Problem an der Sache - wobei wir noch feststellen werden, dass es nicht nur ein Problem bei der landläufigen Vorstellung von Schwäche gibt -: zu einem schwachen Geschöpf wird man gemacht. 
Und damit geraten diese Menschen in eine passive Situation. Ihnen wird die Entscheidung darüber weggenommen, stark zu sein, ihre Stärke ausdrücken zu können, Stärke nicht mit Macht gleichzusetzen, sondern mit einer Vielfalt an Möglichkeiten. Und eine dieser Möglichkeiten ist eben auch, sich schwach zeigen zu können.

Nun wissen wir allerdings immer noch nicht, was schwach eigentlich bedeutet. Hier ist es nicht das Gegenteil von kräftig, mächtig, potent. Schwäche ist etwas, das uns alle ausmacht. Viel mehr noch als Stärke.

Allein unsere Körper sind schwach - das wissen alle, die sich schon mal verletzt haben. Wir haben schwache Nerven, manche rasten bei der geringsten Störung aus. Alleine können wir weder physisch noch geistig viel ausrichten - zu schwach, wir geraten ruckzuck an unsere labilen und vulnerablen Grenzen.

Klingt frustrierend, wo doch Stärke heute von jedem und auch jeder gefordert wird. 
Doch wenn man sich mal darauf einlässt und erkennt, dass man mit der eigenen Schwäche eben nicht alleine ist, dass manch ein Kraftprotz, manch ein Schreier, manch ein Machthaber letzlich auch Angst hat, sich gar nicht immer so sicher ist und die äußere Fassade vor allem als Blendwerk fungiert, dann könnte das eine ziemliche Erleichterung sein.

Schauen wir uns doch mal um. Hat all das, was als Stärke daher kam und kommt, unsere Welt zu einem besseren Ort gemacht? Gehen wir liebevoll oder zumindest freundlich und respektvoll miteinander um? Oder wird es nicht immer lauter, krawalliger und härter?
Und verlieren wir dabei nicht eine Vielzahl an Menschen, die wir für schwach erklären und in eine abhängige Passivität versetzen? Die uns aber etwas beibringen und bereichern könnten!

Wenn Schwäche, das Nicht-Funktionieren, Verunsicherung, Zweifel und Furcht auf mindestens genauso große Anerkennung stoßen würden wie die optimierte Selbstdarstellung, dann hätten wir eine Menge gewonnen. Freiheit, Kreativität, Menschlichkeit.

Klingt paradiesisch? Keineswegs. Machbar. Und übrigens sehr zeitgemäß.

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