Schöngeist
Gibt es ein großartigeres Wort in der deutschen Sprache als „Schöngeist“? Wohl kaum. Die Kombination zweier Begriffe zu einem neuen bringt selten solche Magie hervor. Oder findet jemand einen Kühlschrank, einen Großfürsten oder ein Laufband inspirierender?
Mit „schön“ zu starten, macht ein Wort doch gleich schon mal sympathisch. Wer stünde dem Schönen nicht positiv gegenüber? Dieser Begriff assoziiert immer etwas Gutes.
Ein Anblick, der erfreut; eine Musik, die nahe geht; ein Ereignis, das einen zum Lächeln bringt; eine Geste, die das Herz höherschlagen lässt. So Vieles, das uns umgibt, ist schön. Oder kann als schön empfunden werden.
Manches erscheint uns vielleicht im ersten Moment unauffällig, normal, nicht weiter beachtenswert. Doch auf den zweiten Blick – und wenn man den schärft – kann man sehr häufig erkennen, dass im Alltag doch etwas Schönes steckt. Und dass dieses Schöne beruhigende Wirkung hat. Oder inspirierende Wirkung, die einem den richtigen Impuls für den eigenen nächsten Schritt gibt.
Soweit die erste Worthälfte.
Die zweite handelt von „Geist“. Der ist ja nun bekanntlich nicht dinglich, nichts, was man konkret wahrnehmen, festhalten und eindeutig definieren könnte. Gibt es den also überhaupt? Und wenn ja, wo und wozu? Ist der eine Märchen-Erfindung, eine übernatürliche Institution? Oder was?
Keine Ahnung. Dennoch merkt man, wenn er da ist oder im unguten Umkehrschluss, wenn er fehlt. Entscheidungen, die zu schlechten Resultaten führen, Aussagen, deren Sinn man nicht erkennt, Dinge, die nicht funktionieren – all diesen Phänomenen attestiert man oft, dass es da wohl an Geisteskraft gefehlt hat, dass also Personen am Werk waren, die die Sache nicht klug gedacht und in der Folge unzureichend gemacht haben.
Da aber, wo etwas entsteht, das ein Problem löst, das zu einem nächsten Schritt führt oder Menschen hilft, dahinter vermutet man auch Geist, der am Werk war.
Da hat der was Schönes zustande gebracht. Das also muss er sein, der Schöngeist.
Der allerdings hat hierzulande leider gar keinen besonders guten Ruf, dem wird oft nichts recht Praktisches zugetraut. Im verbreiteten Sinne vermutet man hinter einer schöngeistigen Person eher jemanden, der etwas verloren ist, der in einer Wolke schwebt, dem die Bodenhaftung fehlt und der nichts zum Funktionieren des Systems beiträgt.
Wie fatal! Denn wenn man sich wieder auf die Zusammensetzung des Wortes besinnt, dann kann man von Schöngeistern doch eigentlich gar nicht genug haben! Menschen, die denken, die sich in Sphären über das Alltägliche hinausbegeben und die dabei einen neuen Blick auf die Welt finden, die brauchen wir doch dringend! Menschen, die es möglich machen, dass diese Welt schöner und genialer wird und werden kann.
Also: Wo sind sie, die Schöngeister? Eigentlich sollte man einen Gewinn ausschreiben für alle, die Schöngeister wecken, die sie finden und die sie ermutigen, wirksam zu werden. Das könnte unserer Welt einen großen, einen sehr schönen Dienst erweisen.