Perspektive
Nähert man sich dem Wort - was hier ja immer gerne gemacht wird - dann könnte man meinen, Perspektive hätte etwas mit Duchblick zu tun. Mit einer Perspektive ist dann entsprechend die Vorstellung verknüpft, dass man Klarheit hätte.
Problem: Eine solche Vorstellung geht einher mit der eigenen Perspektive, die nur den einseitigen Durchblick kennt. Von da aus ist alles eindeutig. Man hat die Sache im Auge, also im Griff und sowieso verstanden.
Genauso werden dann auch Entscheidungen getroffen. Einseitig, mit der großen Überzeugung, man läge ja wohl richtig, weil man eben den Durchblick habe.
Da muss wohl mal etwas gerade gerückt werden.
Erstens hat jemand noch lange nicht den Durchblick, wenn man von einer bestimmten, begrenzten und möglicherweise überholten Positition aus etwas betrachtet. Nicht berücksichtigt wird beispielsweise häufig, dass das Umfeld ebenso ins Blickfeld gehört.
Zweitens ist oft genug das Instrument, durch das man auf etwas blickt, blind, erlaubt nur verzerrte Abbildungen oder ist eingefärbt. Der Blick ist also verfälscht.
Und drittens ignoriert eine recht starr eingenommene Perspektive die Tatsache, dass man ein und dasselbe von unterschiedlichen Standpunkten aus ergebnisoffen betrachten kann.
Im besten Fall nämlich holt man sich Erkenntnisse aus mehreren Perspektiven ein und vergleicht mal miteineinder, was man da jeweils gesehen hat. Ist das alles eindeutig?
Erst wenn solch eine Frage aufkommt, wagt man vielleicht auch mal einen Perspektivwechsel, um herauszufinden, was es war, was man selber gesehen hat und was nicht. Schon die Befassung mit solch einer Frage führt möglicherweise zu neuen Einsichten.
Denn das ist ja das Schöne: In einer Welt, in der es unfassbar viele Optionen gibt, Dinge von den verschiedensten Seiten, mit den unterschiedlichsten Instrumenten und immer wieder neu zu betrachten, in dieser Welt kann man lernen, dass nahezu alles mehrere Perspektiven bietet.
Wenn man es dann noch schafft, diese Übung nicht als Einzelne oder Einzelner zu machen, sondern sich immer wieder darüber austauscht, dann überprüft, ob nicht doch etwas unstimmig ist oder ob man gerade einen neuen Weg gefunden hat, auf dem man etwas weiterentwickeln kann, dann bekommt die Sache doch gleich neuen Schwung.
Je weniger Scheuklappe, je weniger individuelle Verzerrung, je weniger Eintrübung des Durchblicks, desto weiter wird die Perspektive, desto mehr kann man sehen, dann auch wahrnehmen und letztendlich verstehen.
Nur eine einzige Sichtweise einzunehmen, führt nämlich genau dazu nicht. Verstehen und Verständigung braucht Perspektivwechsel. Und der wiederum braucht Empathie. Nur dann bekommt man wirklich den Durchblick.