Konsens

Wenn man über einen Begriff wie Konsens nachdenkt, kommen einem gleich weitere Worte mit dem gleichen Buchstabenstart in den Sinn: Kompromiss, Kooperation, Kollaboration oder auch Konformität. Das liegt an dem „Ko-„ am Anfang. Impliziert ist, dass da etwas zusammenkommt oder zusammen erreicht werden soll.
Da sind immer mindestens zwei im Spiel, die sich ko-ordnieren, sich in irgendeiner Weise auf etwas einigen müssen.

Gar nicht so leicht in Zeiten wie diesen, in denen einer der großen Gesellschaftstrends - es müsste eigentlich von Anti-Gesellschaftstrend die Rede sein - „Individualisierung“ heißt.

Bleiben wir aber beim Konsens, denn dieses Wort kann vielleicht einen besonderen Beitrag leisten zu den Aufgaben, die wir haben.

Nachdem schon die Vorsilbe angesprochen wurde, wenden wir uns mal dem zweiten Teil des Wortes zu: -sens. Auch hier gibt es einen Sinn, der zum Verständnis beiträgt. Genau: Sinn oder Sinne. Aus dem lateinischen „sensus“, also Gespür, lässt sich ableiten, worum es geht. 

Versucht man, einen Konsens zu erreichen, dann geht es nicht darum, einen „faulen“ Kompromiss zu schließen, sondern darum, dass sich die Parteien in das Gegenüber hineinfühlen, dass alle Seiten versuchen, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Einigung möglich ist.

Einigung meint dabei weder Einigkeit noch das Negieren jeglicher Unstimmigkeiten; sie meint auch nicht Konformität, also alles unterzuordnen unter ein Dekret, eine vorgegebene Form.
Eine Einigung, die zu einem Konsens führt, lässt Differenzen zu. Sie überkleistert nicht alles mit einer dicken Schicht, die bröckelt, sobald es von außen eine kleine Erschütterung gibt.

Ein Konsens wird nämlich weniger vereinbart - in Verträgen, auf Formularen, in Regeln -, ein Konsens basiert auf einem Verständnis, das Menschen füreinander haben. Menschen, die über Antennen verfügen und Schwingungen aufnehmen, die fühlbar sind.

Solche Schwingungen können wir alle registrieren, wenn wir uns Zeit nehmen, aufmerksam sind, unsere Sinne darin üben, die Gefühle anderer Menschen im Leben wahr- und ernstzunehmen.
Dann ist Kon-Sens möglich. Ein Mit-Gefühl, das zu einer Einigung führt, die nie endgültig ist, sondern ein dauerndes aufmerksames Miteinander erfordert.
Klingt mal wieder anstrengend. Ist aber ziemlich genial, wenn es gelingt.

Zurück
Zurück

Verzicht

Weiter
Weiter

Freiheit