Beobachtung

Gute Beobachtungsgabe ist im Krimi eine wichtige Voraussetzung. Fällt der Kommissarin nicht auf, dass da ein Haar gekrümmt ist und dass das für ihren Fall von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, geht die Sache – oder auch der Film – nicht gut aus. Auch in anderen Branchen hilft ein solches Vermögen, wird aber selten als maßgeblich verstanden.

Ganz schön blöd. Denn Beobachtung könnten wir auch erkennen als eine der besten Möglichkeiten, sich und eine Gesellschaft weiterzuentwickeln. Steile These, könnte man meinen. Doch dröseln wir den Ansatz mal weiter auf und fangen damit an, was es denn eigentlich so zu beobachten gäbe.

Wenn wir uns umschauen in der Welt, so sehen und hören wir eine ganze Menge. Die ist mittlerweile so groß – diese Menge –, dass man sie im Wesentlichen nur noch als Last empfindet, jedoch nicht als etwas, dem man genauere Aufmerksamkeit entgegen bringen sollte oder gar möchte:

Noch ein Sternchen, das im Dschungel-Camp auftaucht und gesehen werden will; noch ein Ereignis, über das spektakulär berichtet wird; noch ein Phänomen, das man kennen muss; und noch jemand aus dem eigenen Umfeld, der auf etwas Wichtiges hinweist. Das kann man vielleicht gerade so in kleinen Häppchen konsumieren, sich aber doch nicht weitergehend kümmern.

Genau das, kümmern nämlich, bedeutet beobachten. Das geht nicht im Vorbeigehen, beim Wischen oder Scrollen. Da muss auch mal stehen bleiben, anhalten, in Ruhe verharren (was für eine Vorstellung…), um etwas einer genaueren Betrachtung unterziehen zu können. Wer hat dazu schon Zeit? Vielleicht sollte man besser fragen: Wer nimmt sich denn dazu schon Zeit?

Beobachten beinhaltet achten. Als „Achtsamkeit“ gerade ganz groß im Trend. Gemeint ist dann aber vorwiegend die eigene Person, die geachtet werden, mit der man achtsam umgehen soll.

Besonders umgekehrt allerdings wird ein Schuh draus. Denn dann ist Beobachten hin- und nicht wegschauen. Was ist wirklich wichtig? Was hat Bedeutung – nicht nur jetzt und für mich, sondern für das große Ganze?

Wer das mal probiert hat, weiß, was bei dieser Übung alles rauskommen kann. Man sitzt im Café und schaut Menschen an, die dort miteinander sprechen, die vorbei flanieren. Man erlebt Schönes, Unverständliches, Lustiges.

Andere Szenerie: Vor einem Bild stehen, sich einfach darauf einlassen, auf das, was man sieht, nicht, was einem jemand dazu sagt. Das Gesehene wirken lassen und sich selber fragen, was bei einem selber übrig bleibt, wenn man weitergeht.

Beobachten hat immer Wirkung, hinterlässt Eindruck. Das alles findet man in keinem Gerät, auf keinem Kanal, in keinem Medium, das die Dinge bereits verarbeitet und nach Gusto ausgespukt hat. Das geht nur, wenn man sich aus dem, was man selber beobachtet, auch ein eigenes Bild macht. Das kann man dann übrigens schön miteinander teilen.

Also: Immer schön Obacht – für sich selber und die Welt.

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