Bemühen

Grieslightnin_hammer-1629587_1280.jpg

„Sie hat sich bemüht“ ist eine der ungünstigsten Aussagen in einem Arbeitszeugnis, die man sich vorstellen kann. Übersetzt ins Reine wird durch die Personalabteilung damit zum Ausdruck gebracht, dass diese Arbeitskraft zwar vielleicht Einiges getan hat, um den Anforderungen gerecht zu werden, es aber eben doch nicht hinbekommen konnte. 

Dumm gelaufen.

Was für eine fatale Entwicklung! Wie konnte dieser Begriff so sehr ins Abseits driften?

Was bitte schön ist falsch oder schlecht daran, sich zu bemühen?

In dem oben genannten Kontext ist ein Bemühen deswegen nicht vorgesehen, weil eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter ja mit einer ganz konkreten Qualifikation für eine ganz konkrete Tätigkeit ausgewählt und eingestellt wurde. Da ist Experiment, Ausprobieren, Versuch und Irrtum nicht Teil der Ausschreibung und auch nicht Teil des Vertrages.

Stattdessen geht es darum, im Schweiße des Angesichts für das Unternehmen (euphemistisch das Team), eine blumige Vision oder sonst ein hehres Ziel zu rackern. Und wer sich nicht ordentlich krummlegt, schaut halt in die Röhre.

Kompetenz und Expertentum – das sind die Stichworte der heutigen Arbeitswelt. 

Was dabei raus kommt, erleben wir verbreitet. Fachidioten, Zahlendreher, Bleistiftspitzer und Excel-Tabellen-Freunde. Wollen wir das?

Ja, das wollen Personalverantwortliche im Dienste der Unternehmensperformance allzu oft. Auch wenn viele zustimmen würden, dass die genannten keine schönen Bezeichnungen für Leute sind, die doch alles prima sortieren, berechnen und effizient lösen können. Aber schlussendlich soll es dann doch so sein: Unter’m Strich muss das Ergebnis stimmen.

Alles andere zählt nicht.

Wenn die Mühe eines Menschen anderen gilt, dem Wohlbefinden in stressigen Zeiten, dem Finden neuer Ideen, der Verschönerung der Umgebung, dem Setzen von Impulsen oder der ganz konkreten Hilfestellung in einer schwierigen Situation – ist das nichts wert? Oder anders gefragt: Hat nur diejenige Wert, die durch ihre Tätigkeit etwas erwirtschaftet, das sich in einer wie auch immer definierten Erfolgszahl ausdrückt?

Der Welt würde es vermutlich besser gehen, wenn sich mehr Menschen bemühen würden. Wenn dem uns innewohnenden Gemeinsinn nicht ständig die Energie und Kraft entzogen würde, sondern den Menschen Raum und Gelegenheiten blieben, sich für etwas einzusetzen, das die Mühe lohnt. 

Dann würde man auf den Straßen, in den Fliegern oder den Bahnen vielleicht weniger verbissen dreinblickende Menschen sehen, würde es weniger aggressiv zugehen und würde es mehr Gelassenheit geben. Das wäre ein Zustand, aus dem heraus menschliche Einfälle und Innovationen zum Vorschein kämen. Nicht ganz ohne Mühe. Aber mit der Zufriedenheit, die sich einstellt, wenn man etwas geschafft hat, das einen Sinn ergibt.

Vielleicht wäre das die Anregung für eine neue Rubrik in Arbeitszeugnissen: Ihr Bemühen hat Sinn gemacht.

Zurück
Zurück

Notwendigkeit

Weiter
Weiter

Provokation