Argument
Das Argument hat Hochkonjunktur. Oder sollte Hochkonjunktur haben. Vielfach werden derzeit nämlich keine Argumente ins Feld geführt, sondern laute Parolen, dumme Sprüche und unsachgemäße Meldungen.
Während Informationen, Nachrichten oder eben auch in aggressiver Manier postulierte Behauptungen den einfachen Weg der Einbahnstraße nehmen, muss sich das Argument mit dem Gegenüber auseinandersetzen. Ein Argument ist eine Einladung zum Gespräch, zur kultivierten Auseinandersetzung.
Es ist von seinem Sinn her eine treffliche Formulierung, um einen Gedanken in einer widersprüchlichen Auseinandersetzung vorzubringen.
Wenn ein Sachverhalt nicht eindeutig ist, so kann man darüber streiten. Oder sich sachlich auseinandersetzen, nach Hintergründen, Erklärungen, Hinweisen suchen, die die eine oder die andere Sicht belegen können.
Das ist oft anspruchsvoll, man muss das Hirn einschalten, sich Mühe geben, zu – auch neuen – Erkenntnissen finden. Also nicht einfach.
Viel einfacher ist es dagegen, einfach mal eine Meinung rauszuhauen, eine Behauptung aufzustellen, einen angeblichen Fakt aufs Plakat zu schreiben und damit auf die Straße zu gehen. Wahr? Richtig? Ein Diskussionsangebot?
Die Fragezeichen, die hier freizügig verteilt werden, die gibt es in dieser Welt nicht. Fragen werden bei denjenigen, für die die Dinge eindeutig sind, nicht gestellt. Die könnten ja zu Antworten führen, die man nicht hören will.
Wer dagegen Verunsicherung nicht mit einfachen Antworten – die zuvor keine Fragen hatten – aus dem Weg gehen und sich nicht in fragwürdigen Gruppierungen aufhalten will, die und der sollte mal tiefer recherchieren und nach Argumenten suchen, die diese oder auch die andere Sicht belegen könnten.
Dabei geht es nicht um Rechthaben oder Rechtbekommen. Nicht darum, eine Strategie ins Feld zu führen, mit der man Schreihälse mundtot machen kann, sondern darum, sich selber zu Erkenntnissen und in der Folge zu weisen Entscheidungen zu verhelfen.
Erst dann, wenn man genügend – und auch widersprüchliches – Material beisammen hat, das einem die Für und Wider einer Angelegenheit vor Augen führt, nur dann kann man auch eine valide, souveräne Sicht gewinnen und eine eigene Haltung aufbauen.
Eine solche Haltung mag still, möglicherweise zu still sein, um dem lauten Manöver der Vereinfacher direkt etwas entgegensetzen zu können, aber auch eine stille Haltung kann Überzeugungskraft entwickeln und Wirkung haben.
An entscheidender Stelle wird aus den gewonnenen Erkenntnissen und dieser klugen Haltung eine reflektierte Vielstimmigkeit, die alles stärkt, was den Menschen etwas bedeuten sollte: Ein respektvoller Umgang miteinander und ein Austausch von Argumenten, die uns nicht dümmer, sondern klüger machen. Um den Herausforderungen, vor der die Welt steht, mit Größe und Souveränität entgegenzutreten.