Bewusstsein
Sich etwas bewusst zu machen, führt dazu, dass man etwas wahr-nimmt. Wahrnehmen ist dabei mehr, als den Reiz auf die Sinnesorgane zu verarbeiten.
Ein Auge kann eine Blume sehen, die ins Gesichtsfeld gerät. Die Person, auf deren Augen dieser Sinnesreiz fällt, nimmt sie aber möglicherweise dennoch nicht wahr. Weil sie abgelenkt ist. Durch einen anderen Reiz, der stärker ist. Wie beispielsweise ein Nachrichtensymbol auf dem Smartphone, das den Blick gefangen hält.
Die Reize, die heute auf uns einprasseln, sind permanente Knall-Effekte. Ereignisse, die uns ablenken, die Aufmerksamkeit erzwingen, die uns abhalten davon, etwas in Ruhe zu betrachten, an einem Ort stehen zu bleiben und zu lauschen, etwas mit Achtsamkeit zu berühren.
Dann nämlich, wenn wir den Sinnesorganen die Zeit und die Gelegenheit geben, einem optischen Eindruck, etwas Hörbarem, einem Gefühl auch wirklich nachzugehen bzw. diesen Reiz wirken zu lassen, erst dann beginnt Wahrnehmung.
Wahrnehmung ist nämlich die Erkenntnis, dass etwas im Umfeld wahr, wirklich da ist. Wenn es also eine Bedeutung bekommen kann.
Mit dieser Erkenntnis gewinnt man Wissen. In dem Augenblick, wo die Blume als Blume – als weiße Blume, als Blume in einem Beet, als etwas Schönes – erkannt wird, erlangt man eine Vorstellung von dieser besonderen Blume in jenem Moment. Auf Basis dieser Vorstellung lassen sich Fragen stellen: Gibt es noch andere weiße Blumen? Gibt es diese Blume auch in anderen Farben? Wo kann eine solche Blume noch sein? Und wenn man es auf die Spitze treiben will, kann man die Frage stellen: Wozu ist diese Blume überhaupt „gut“?
In den allermeisten Fällen – wenn man nicht gerade Gärtnerin und beruflich damit befasst ist, sich um Blumen zu kümmern – führen Blumen nicht zu solchen Fragen. In den allermeisten Fällen werden Blumen auch gar nicht (mehr) gesehen. Zumindest nicht in einer Weise, die zu Wahrnehmung und in der Folge zu Bewusstsein führen würde.
Die Blume in diesem Text nämlich steht stellvertretend für alles, was in unserer Welt ist und stattfindet. Und was nicht in digitalisierter Form über unsere Smartphones an uns herangetragen wird.
Mittlerweile sind wir immer ungeübter darin, das, was ist, das, was unsere sinnlich erfahrbare Umwelt ausmacht, wahr-zunehmen. Wahr ist vielfach nur noch das, was in verarbeiteter Weise, oft in Form digitaler Daten-Codes, vor uns auftaucht. Selbst wenn es falsch ist.
Und was bedeutet dies für das Bewusstsein? Wenn Wahrnehmung zu einer Erkenntnis führt, die uns etwas wissen lässt, das wir in unser Leben und unsere Lebensgestaltung einweben können, dann haben wir die Möglichkeit, uns unserer selbst und unserer Welt bewusst zu werden. Wenn uns dies aber fehlt und stattdessen eine erzeugte Wahrnehmung, ein Code scheinbar „Bewusstsein“ vermittelt, dann entfernen wir uns von uns selbst und werden immer mehr ein Wesen ohne eigenes Bewusstsein.
Klingt furchtbar? Ist es. Denn wir verlieren eine Eigenschaft, die uns als Menschen, als soziale Wesen, als Teil von Kultur und Natur ausmacht.
Die Lösung: Raus in den Park, Blumen sehen, Vögel hören, Gras fühlen.
Oder bei Regen: Raus ins Museum und mal nachschauen, wie ein kreativer Mensch aus Blumen ein Bild erschaffen hat.
Schärft beides das Bewusstsein.